Klartext: Pflegesystem gehört auf den Prüfstand!

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WernerSchell
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Klartext: Pflegesystem gehört auf den Prüfstand!

Beitrag von WernerSchell » 20.08.2017, 06:33

Bild Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Interessenvertretung
für hilfe- und pflegebedürftige Menschen in Deutschland
Vorstand: Werner Schell, Dozent für Pflegerecht
Harffer Straße 59 - 41469 Neuss


Im August 2017

Klartext:

• Deutschlands Pflegesystem gehört nach der Bundestagswahl am 24.09.2017 auf den Prüfstand. Dabei muss das gesamte soziale Netz mit in den Blick genommen werden!

In jüngster Zeit gab es erneut mehrere TV-Beiträge, die sich sehr kritisch mit der pflegerischen Versorgung befassten. Dazu wird auf einige Beispiele aufmerksam gemacht:

Pflege kostet … von Hirschhausen spricht Klartext bei "Hart aber fair" (Juni 2017)[1]

Horrorheime in Deutschland – Talk mit Armin Rieger
24.04.2017 - ZDF Mittagsmagazin - veröffentlicht am 26.04.2017 (7,09 Minuten)
Was passiert, wenn die eigenen Eltern oder der Partner Pflege brauchen? Armin Rieger kritisiert das deutsche Pflegesystem: Für Menschen, die ein Pflegeheim suchen, sei es fast unmöglich, zu erkennen, wo sich in Wahrheit ein Horrorheim verbirgt.[2]

Pflegeheime gleich Menschenrechte adé? - Armin Rieger und Claus Fussek diskutieren -
veröffentlicht am 23.07.2017 KuKuK-TV (31,06 Minuten)
Pflegemissstände und Menschenrechtsverletzungen - Wie steht es um die Würde von Pflegebedürftigen in Altenheimen? Wir sprechen mit Armin Rieger, der selbst ein Seniorenheim leitet, und Claus Fussek, Diplom-Sozialpädagoge und Pflegemissstands-Kritiker. Seit Jahren befassen sie sich mit dieser Thematik und setzen sich für die Rechte pflegebedürftiger und älterer Menschen ein. …[3]


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Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk nimmt wie folgt Stellung:

Dass die Pflege-Rahmenbedingungen unzureichend sind, wird seit vielen Jahren beklagt. Die zum Teil notstandsähnlichen Strukturen dürften daher allseits bekannt sein. Hinzu kommt, dass die föderalen Regelungen des Pflegerechts im Zusammenwirken mit dem Gesundheits- und Patientenrecht mehr als kompliziert gestaltet sind und von den betroffenen Menschen kaum noch durchschaut werden können.

Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk hat daher immer wieder auf die dringendsten Reformerfordernisse aufmerksam gemacht, v.a. bei den Neusser Pflegetreffs und in Zuschriften an den Deutschen Bundestag, und dabei verschiedene konstruktive Lösungen für eine bessere Pflege vorgelegt.[4] Wiederholt wurde deren Umsetzung angemahnt.

Bei all dem war und ist zu berücksichtigen, dass sich die pflegerischen Erfordernisse sehr unterschiedlich präsentieren können. Neben den zahlreichen stationären Pflegeeinrichtungen gibt es folgerichtig umfänglich häusliche Pflege- und Versorgungsstrukturen. Rund 70% der pflegebedürftigen Menschen werden zu Hause gepflegt. Wenn also über Mängel und Reformerfordernisse ernsthaft diskutiert werden soll, müssen alle Bereiche angemessene Berücksichtigung finden. Dabei ist dem Grundsatz "ambulant vor stationär" besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Tatsächlich hat es durch die Pflegestärkungsgesetze (PSG) I, II und III eine Reihe von Leistungsverbesserungen gegeben. Dabei wurde vornehmlich die häusliche Pflege berücksichtigt mit der Folge, dass es insoweit einige gute Entlastungsmöglichkeiten gibt (z.B. Tagespflege).

Für die Heimpflege hat es im Wesentlichen mehr Betreuungskräfte gegeben, möglicherweise in guter Absicht. Aber diese Betreuungskräfte dürfen überhaupt nicht pflegen und können bzw. dürfen die dringend gebotene Entlastung für die Pflegekräfte, die zwingend einen pflegewissenschaftlichen Standard zu gewährleisten haben (§ 11 SGB XI), überhaupt nicht erbringen. Um den Leistungsansprüchen der pflegebedürftigen Menschen mit der gebotenen Fachlichkeit und Sorgfalt gerecht zu werden, sind für Pflegekräfte und die sonstigen Gesundheitsberufe Leitlinien und Standards als wichtige Orientierungshilfen geschaffen worden.[5] Wer solche Hilfen außer Acht lässt, handelt den Bedürfnissen der pflegebedürftigen Menschen mutmaßlich zuwider.[6]

In § 113c SGB XI[7] ist für das Jahr 2020 eine Gestaltung von Personalbemessungssystemen für die stationäre Pflege in Aussicht genommen. Solche Systeme sind nötig, werden aber, wenn sie denn überhaupt auskömmlich zustande gebracht werden, spät, zu spät, kommen. Die insoweit maßgeblichen Argumente wurden am 21.10.2015 beim Neusser Pflegetreff in Anwesenheit von Hermann Gröhe, Bundesgesundheitsminister, auf den Punkt gebracht (der Auszug aus einer Filmdokumentation dieser Veranstaltung informiert[8]).[9]

Bestrebungen, die Fachkräftequote von 50% in den Stationären Pflegeeinrichtungen abzusenken oder sogar ganz abzuschaffen, muss entschieden entgegen getreten werden. Auch wenn es aktuell schwieriger wird, geeignetes Personal zu gewinnen, muss die Fachlichkeit gewährleistet bleiben. U.a. mit Rücksicht auf § 11 SGB XI ist eine Absenkung der Fachkräftequote völlig inakzeptabel. Man kann eigentlich gute Gründe dafür nennen, dass die Fachkräftequote eher angehoben werden muss.[10]

Aufgabe der politisch Verantwortlichen wäre, JETZT, spätestens nach der Bundestagswahl am 24.09.2017, mit einem Systemwechsel für die Pflegekräfte im Sinne von deutlich verbesserten Stellenschlüsseln in Verbindung mit der Gestaltung von angemessenen Vergütungen zu beginnen.[11] Solche Forderungen sind mehr als berechtigt. Denn die menschliche Zuwendung gehört ohne Wenn und Aber in den Mittelpunkt gerückt und nicht etwa die ökonomische Interessenlage der Einrichtungs- und Kostenträger.

"Pflege ist eine Mannschaftsleistung, bei der es auf jede und jeden ankommt." - Zitat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zum Abschluss der Regionaldialoge Pflege[12]. - Zutreffend bemerkt. Aber dann muss man auch dafür Sorge tragen, dass die "Mannschaft" die erforderliche Zahl an pflegenden "Mitspielern" hat. Mit einer "Schrumpftruppe", die wir als Pflegenotstand benennen müssen, sind angemessene pflegerische Leistungen (§ 11 SGB XI) nicht möglich. Folglich muss die "Pflege-Mannschaft" schnellstens aufgestockt werden!

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Im Übrigen ist zu bemerken: Personaluntergrenzen, Mindestpersonalregelungen bzw. projektgebundene Pflegestellenprogramme für die Pflege sind nicht wirklich geeignet, den Pflegenotstand aufzulösen. Die Pflege braucht keine Mindestbesetzung, sondern eine auskömmliche Personalausstattung!

Es hilft wenig, in Richtung der Pflegekräfte ständig mittels Sprechblasen von "Wertschätzung und Anerkennung" zu reden, wenn der Pflegealltag kaum noch zu ertragen ist. Viele Pflegekräfte sind bereits aus ihrem Beruf "geflüchtet" oder sind krank geworden (der Krankenstand in der Pflege ist extrem hoch). Kein Wunder, dass wir bereits heute einen Fachkräftemangel beklagen müssen.

Es ergeben sich auch weitere Fragestellungen, die reformerische Aktivitäten auslösen sollten, z.B.:
Die neuen Regelungen in §§ 14 und 15 SGB XI in Verbindung mit dem neuen Begutachtungsinstrument - Begutachtungsassessment (NBA) - sind möglicherweise zum Nachteil der Menschen mit körperlichen Defiziten formuliert worden. Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk hat diese Besorgnisse bereits 2016 aufgegriffen hinterfragt. U.a. wurde der Deutsche Bundestag angeschrieben und um Überprüfung der Besorgnisse gebeten. Irgendwelche Folgerungen wurden bislang nicht gezogen. Der Deutsche Verband der Leitungskräfte der Alten- und Behindertenhilfe e.V. (DVLAB) hat ebenfalls Kritik am neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff geäußert. Menschen mit mittelschwerer bis schwerer Demenz und herausforderndem Verhalten werden durch die neuen Regelungen als benachteiligt angesehen. Dies alles scheint Grund genug, das neue Begutachtungssystem auf den Prüfstand zu stellen und ggf. an einigen Stellen zu korrigieren. Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk sieht nach all dem die Notwendigkeit, die neuen Vorschriften betreffend den Pflegebedürftigkeitsbegriff auf den Prüfstand zu stellen und die bereits jetzt bekannten Benachteiligungen einzelner Gruppen von pflegebedürftigen Menschen zu beseitigen.[13]

Es macht im Übrigen wenig Sinn, wenn ständig nur partielle Interessen (z.B. der Patienten, pflegebedürftigen Menschen, Angehörigen, ambulanten Pflegedienste, stationären Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser, Ärzte und sonstigen nichtärztliche Berufe[14] ) angesprochen und finanziell folgenschwere Forderungen erhoben werden.[15]

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Es muss darum gehen, das soziale Netz ganzheitlich zu sehen und für alle Versorgungssysteme angemessene Verbesserungen zu gestalten, die auf der Grundlage von Schwerpunktsetzungen in die Zukunft tragen und finanzierbar bleiben.[16]

Personalbemessungssysteme für die stationäre Pflege zu schaffen, ist unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung ein Baustein bei der Schwerpunktsetzung. Natürlich muss auch der Grundsatz "ambulant vor stationär" gestärkt werden. Das kann aber angesichts der rapide steigenden Zahl der pflegebedürftigen Menschen nicht allein mit mehr Geldleistungen gelingen (= Geld allein pflegt nicht). Dazu bedarf es anderer ergänzender Angebote, wie z.B. "altengerechte Quartiersangebote" mit umfassenden Hilfe- und Unterstützungsstrukturen, finanziell ausreichend dotiert. Solche Quartiersangebote benötigen klare und auskömmliche professionelle Strukturen, was natürlich ehrenamtliche Hilfsangebote nicht ausschließt.[17]

Am 23.06.2017 hat das Statistische Bundesamt eine neue Prognose zur Lebenserwartung vorgelegt und prophezeit einen neuen Rekord: 90 Jahre könnte ein Mann demnach durchschnittlich alt werden, wenn er jetzt zur Welt kommt, 93 Jahre sogar eine Frau. Experten bezweifeln, dass die Menschen auf ein solches Alter vorbereitet sind.

Reimer Gronemeyer hat in seiner Buchveröffentlichung "Das 4. Lebensalter - Demenz ist keine Krankheit", Pattloch, 2013[18], die Dramatik der möglichen Entwicklung wie folgt beschreiben:

"… Wir laufen sehenden Auges in eine Katastrophe. Die Zahl der Pflegebedürftigen wächst, die Kosten wachsen auch, dabei sinken die Einnahmen der Sozialkassen, die Familienpflege wird weniger, der Heimaufenthalt häufiger. Wie soll denn das alles gehen? …"

Wer das Pflege- und Gesundheitssystem generationengerecht und dauerhaft finanzierbar reformieren will, sollte der Aufmunterung folgen, ein "Aktionsbündnis menschenwürdige Pflege" gestalten zu helfen, dass alle Sozialleistungen in den Blick nimmt und unter Berücksichtigung einer in die Zukunft tragenden Gesamtkonzeption Reformvorstellungen entwickelt und einfordert. Alles andere macht wenig Sinn.

Da sich "Otto-NormalbürgerIn" in gesunden und pflegefreien Tagen nicht - allenfalls selten - für die soziale Absicherung, v.a. die Gesundheits- und Pflegesysteme, interessiert, wird es insoweit eher keine größeren Proteste oder gar einen Volksaufstand geben. Folglich sind auch skandalisierende Medienberichte, Demonstrationen, Petitionen, Buchveröffentlichungen usw. im Zusammenhang mit Pflegemängeln in ihrer Wirkung eng begrenzt.

Daher erscheint es (weiterhin) notwendig, die jeweils parlamentarisch legitimierten Entscheidungsträger mittels sachlicher Argumentation von den Erfordernissen, konkrete Verbesserungen am sozialen Netz vorzunehmen, zu überzeugen. Dabei muss einerseits ein Übermaß an Leistungsansprüchen vermieden werden, andererseits muss aber wirkungsvoll der Pflegebedürftigkeit und Altersarmut entgegen gewirkt werden. Allein wohlklingende Wahlversprechen, von wem auch immer, sind oft nicht wirklich zielführend. Leistungsansprüche müssen auch noch von den nachfolgenden Generationen finanziert werden können. "Wirkungsvolle Reformen mit Augenmaß" wäre eine gute Botschaft. Es erscheint u.a. wichtig, im Zusammenhang mit gesundheitlichen und pflegerischen Hilfeerfordernissen immer ganzheitlich zu denken und zu handeln.[19] Eine Stärkung der Familien erscheint in diesem Zusammenhang zwingend. Nicht vergessen werden darf aber auch, die Grundregeln der "Sozialen Marktwirtschaft" neu zu beleben und Fehlentwicklungen einer hemmungslosen Globalisierung entgegen zu wirken. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass in unserem Gesundheits- und Pflegesystem nicht die Patienten bzw. pflegebedürftigen Menschen im Mittelpunkt stehen, sondern vornehmlich die ökonomischen Interessen der Anbieter/Trägereinrichtungen.

Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk wird mit Blick auf die gebotenen Verbesserungen im sozialen Netz für den gehörigen Druck sorgen und wünscht sich dabei in einer Art Aktionsbündnis vielfältige Unterstützung.

Natürlich müssen wir, unabhängig von all dem, schauen, dass eine möglichst gesunde Lebensweise praktiziert werden kann. Das hält länger fit und spart Gesundheitskosten. Weil die gebotene Prävention und Gesundheitsförderung, auch in den Pflegeeinrichtungen (für die pflegebedürftigen Menschen und das Personal), dringend verbesserungsbedürftig erscheint, wird der nächste Neusser Pflegetreff am 22.11.2017 genau dieses Thema aufgreifen und zu einer Mobilitätsoffensive aufmuntern. Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk lädt dazu bereits jetzt herzlich ein. Der Eintritt ist frei.[20] - Dazu passt: "In der einen Hälfte des Lebens opfern wir unsere Gesundheit, um Geld zu erwerben. In der anderen Hälfte opfern wir Geld, um die Gesundheit wiederzuerlangen." - Voltaire (1694 - 1778).

Werner Schell
Vorstand von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk und Dozent für Pflegerecht
http://www.wernerschell.de - Pflegerecht und Gesundheitswesen
Infos auch bei https://www.facebook.com/werner.schell.7 bzw. https://twitter.com/SchellWerner

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Fußnoten:
1 https://www.youtube.com/watch?v=grzKKXM_sT4
2 https://www.youtube.com/watch?v=lan8FQVVys8
3 https://www.youtube.com/watch?v=gsROSVg ... ture=share
4 http://www.pro-pflege-selbsthilfenetz-w ... se2014.pdf
5 http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =3&t=22184
6 http://www.pro-pflege-selbsthilfenetz-w ... tement.pdf
7 § 11 Abs. 1 SGB XI: „Die Pflegeeinrichtungen pflegen, versorgen und betreuen die Pflegebedürftigen, die ihre Leistungen in Anspruch nehmen, entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse. Inhalt und Organisation der Leistungen haben eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten“ (Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__11.html ).
8 https://youtu.be/qbyHRxX9ikk
9 http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =3&t=22096
10 http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =3&t=21440
11 http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =3&t=22011
12 Quelle: CAREkonkret, 23.06.2017
13 http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =4&t=21742
14 http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =3&t=21365
15 http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =4&t=22074
16 http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =4&t=22085
17 http://www.pro-pflege-selbsthilfenetz-w ... 082015.pdf
18 http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =6&t=19043
19 http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =4&t=22171
20 http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =7&t=22212
____________________

Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
führt regelmäßig Pflegetreffs mit bundesweiter Ausrichtung durch.
ist Initiator bzw. Mitbegründer des Quartierkonzeptes Neuss-Erfttal.
ist Unterstützer von "Bündnis für GUTE PFLEGE".
ist Unterstützer der "Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen".
tritt für wirksame Patientenrechte und deren Durchsetzung ein.
unterstützt im Rahmen der Selbsthilfe auch Patienten mit Schlaganfall einschließlich deren Angehörige.
ist Mitgründer und Mitglied bei "Runder Tisch Demenz" (Neuss).


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Der Text des vorstehenden Klartextes ist auch als pdf-Datei abrufbar unter folgender Adresse:
>>> http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... 082017.pdf

WernerSchell
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Klartext: Pflegesystem gehört auf den Prüfstand!

Beitrag von WernerSchell » 03.09.2017, 07:54

Am 03.09.2017 bei Facebook gepostet:
"Team Wallraff" war wieder aktiv und hat eine neue Diskussion über menschenwürdige Pflege ausgelöst. Zahlreiche Medien haben berichtet. Was wir hören, sind die bekannten Mängelberichte, die im Wesentlichen in den unzureichenden Pflege-Rahmenbedingungen ihre Ursache haben. - Dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem seit längerer Zeit bekannten Pflegenotstand gefordert ist, sagt Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk seit vielen Jahren unter Vorlage von konkreten Vorschlägen / Forderungen. Diese wurden wiederholt bei den Neusser Pflegetreffs mit H. Gröhe, BMG, K.J. Laumann, Pflegebeauftragter usw. diskutiert. Alle, die jetzt nach drei Pflegereformgesetzen mit klugen Ratschlägen auftauchen, haben sich an den zurückliegenden streitigen Diskussionen leider nicht wirklich beteiligt. Alle waren u.a. zu den Neusser Treffs eingeladen! - Ein aktueller Klartext informiert nochmals zum Thema > http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =4&t=22268

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SOZIALES NETZ ZUKUNFTSFEST GESTALTEN - JETZT !

Beitrag von WernerSchell » 23.09.2017, 06:44

SOZIALES NETZ ZUKUNFTSFEST GESTALTEN - JETZT !
Klartext informiert > http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =4&t=22268

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Gesundheitssystem / soziales Netz - Ausgabenkollaps droht

Beitrag von WernerSchell » 29.09.2017, 17:32

Aus Forum:
http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... 87#p100187

Gesundheitssystem Deutschland: Es droht der Ausgabenkollaps
Mehr Reformen gab es nie im Gesundheitssystem. Doch sie machen es teurer, statt besser.
Ökonomen warnen vor dem bösen Erwachen - und der Zwist für eine neue Koalition ist programmiert.
Quelle: Der Spiegel
http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 70134.html


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Anmerkung:
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk hat seit vielen Jahren auf notwendige Reformen im Gesundheits- und Pflegesystem aufmerksam gemacht und gezielt Verbesserungen, v.a. zur Auflösung des Pflegenotstandes, eingefordert > http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... se2014.pdf
Die zurückliegenden zahlreichen Reformgesetze der GROKO haben eine Reihe von ergänzenden Leistungsansprüchen geschaffen, die durchaus als hilfreich oder zwingend geboten angesehen werden können. Dabei ist aber offensichtlich an einigen Stellen zu viel des Guten getan worden, so dass eine nachhaltige Finanzierung all dieser Leistungsansprüche mehr als problematisch erscheint. Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk hat daher zeitgerecht und wiederholt auf die Notwendigkeit verwiesen, Schwerpunkte zu setzen und die Ausgaben in Grenzen zu halten. Das gesamte soziale Netz muss - auch mit Blick auf die nachfolgenden Generationen - finanzierbar bleiben. Die z.Zt. als gut eingeschätzte Konjunktur garantiert keine nachhaltige Finanzierung der zahlreich geschaffenen Ansprüche. Es muss im Übrigen auf die Wiederherstellung der bewährten sozialen Marktwirtschaft gedrängt werden.
Ein Klartext informiert: Deutschlands Pflegesystem gehört nach der Bundestagswahl am 24.09.2017 auf den Prüfstand. Dabei muss das gesamte soziale Netz mit in den Blick genommen werden! - Text hier (PDF) > http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... 082017.pdf und im Forum von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk hier > http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =4&t=22268
Werner Schell


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Jeder trägt für seine Gesundheit Mitverantwortung (§ 1 SGB V). Daher muss verstärkt auf gesunde Lebensführung und Vermeidung bzw. Hinauszögern von Krankheit und Pflegebededürftigkeit gesetzt werden. Darauf will der nächste Neusser Pflegetreff aufmerksam machen. Hier die näheren Hinweise:

Der 27. Neusser Pflegetreff wird am 22.11.2017, 15.00 - 17.00 Uhr (Infostände ab 14.00 Uhr) stattfinden zum Thema: "Vorbeugen ist besser als Heilen" - Prävention und Gesundheitsförderung mehr Aufmerksamkeit schenken - Körperlich und geistig aktiv bis ins hohe Alter. …. Vor allem Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs und auch Demenz lassen sich durch eine frühzeitig begonnene gesunde Lebensführung (richtige - mediterrane - Ernährung, ausreichende Bewegung und Schlaf, Verzicht auf Rauchen, mäßiger Alkoholkonsum, Vermeidung von negativem Stress, geistige Aktivitäten, Pflege sozialer Kontakte usw.) weitgehend vermeiden. Gleichwohl eintretende Gesundheitsstörungen (z.B. Übergewicht, zu hohe Cholesterinwerte, Bluthochdruck, Diabetes) lassen sich durch eine gesunde Lebensführung günstig beeinflussen. Es geht also letztlich um Maßnahmen, die eine umfassende gesundheitsförderliche Wirkung erzielen können. Es macht Sinn, möglichst frühzeitig eine gesunde Lebensführung zu praktizieren. …. Erörterungsgrundlagen sind u.a. einmal das "Präventionsgesetz" und der „Leitfaden Prävention in stationären Pflegeeinrichtungen nach § 5 SGB XI“. Prävention und Gesundheitsförderung sollen verstärkt auch in den Pflegeeinrichtungen umgesetzt werden. Der erwähnte Leitfaden ist vom GKV-Spitzenverband herausgegeben worden und wie folgt abrufbar: > https://www.gkv-spitzenverband.de/media ... rei_II.pdf Als Präventionsziele in der stationären Pflege und Handlungsfelder werden v.a. Ernährung, Körperliche Aktivität, Stärkung kognitiver Ressourcen, Psychosoziale Gesundheit und Prävention von Gewalt bezeichnet. - Hinweise zum Treff (ständige Aktualisierung) > http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =7&t=22212

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Pflegenotstand in Krankenhäusern ist ein Gesundheitsrisiko

Beitrag von WernerSchell » 07.10.2017, 07:16

Am 06.10.2017 bei Facebook gepostet:
Pflegenotstand in Krankenhäusern ist ein Gesundheitsrisiko, besonders mit Blick auf die Zunahme älterer Patienten. Zahlreiche Medienberichte belegen die Pflegenot! - Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk macht seit über 10 Jahren darauf aufmerksam, dass in der Krankenpflege Personal fehlt und für eine permanente Verschlechterung der Patientenversorgung verantwortlich ist. Dem gegenüber ist die Zahl der Ärzte gestiegen. Dafür gibt es eine einfache Erklärung, die in den ökonomischen Strukturen des Gesundheitssystems seine Grundlage hat: Ärzte bringen Geld - Pflegekräfte kosten Geld. Personaluntergrenzen bzw. Mindestpersonalregelungen für die Pflege sind nicht wirklich geeignet, den Pflegenotstand aufzulösen. Dringend erforderlich sind bundesweit geltende Personalbemessungssysteme für die Krankenhaus- und Heimpflege, die angemessene Personalausstattungen gewährleisten, im Tages- und Nachtdienst. Es ist fatal, dass halbherzige Lösungen als Schritt in die richtige Richtung eingestuft werden. Die pflegerischen Verrichtungen haben sich nach den anerkannten wissenschaftlichen Pflege-Standards auszurichten (§ 11 SGB XI). Und dies erfordert keine Mindestbesetzung, sondern eine auskömmliche Personalausstattung. - Werner Schell > http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... 385#p97385

WernerSchell
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Pflegenotstand auflösen & Quartiershilfen gestalten

Beitrag von WernerSchell » 19.10.2017, 06:45

Aus Forum:
http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... 62#p100362

Pflegenotstand auflösen & Quartiershilfen gestalten

In der 41. Woche/2017 gab es gleich vier TV-Sendungen zur Pflege. Angesichts der zurückliegenden Bundestagswahl und der bevorstehenden Landtagswahl in Niedersachsen haben Pflegediskussionen Konjunktur. Leider waren nicht alle Statements in diesen Sendungen wirklich hilfreich, so dass es neue wirkungsvollere Ansätze für eine Weiterentwicklung der Pflege geben muss.

Wie bereits herausgestellt, hat es in den letzten Jahrzehnten hunderte solcher Pflegenotstandsbeiträge im Fernsehen gegeben. Geändert hat sich leider nichts. Daher ist ein Aktionsbündnis aller pflegekritischen Initiativen notwendig. Es muss tunlichst mit einer Stimme gesprochen und es müssen mit Sachargumenten unterlegte Forderungen zu bestimmten pflegereformerischen Maßnahmen abgeliefert werden. Jammern allein hilft nicht. Der Gestaltung von bundesweit Personalbemessungssystemen für die Pflege in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen muss dabei höchste Priorität zukommen. Dabei sollte / muss gelingen, die Zahl der Pflegekräfte um 20 - 30% zu erhöhen.


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Dann muss es mit Blick auf die ambulanten Versorgungsstrukturen dringend um die Gestaltung von Quartiershilfen gehen. So können die pflegenden Angehörigen wirkungsvolle Unterstützung erfahren. Vorschläge für solche Quartiershilfen sind da. In Neuss-Erfttal wurden solche Strukturen mit tatkräftiger Unterstützung von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk bereits musterhaft entwickelt und funktionieren. Allerdings muss es eine deutliche Weiterentwicklung geben.

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Das alles kostet deutlich mehr Geld. Und dies muss die Gesellschaft, wie auch immer, aufbringen.

Nach dem Neusser Pflegetreff am 22.11.2017, der das Thema Prävention und Gesundheitsförderung, auch mit Blick auf die Belastungen der Pflegekräfte aufgreift (siehe > http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =7&t=22212 ), wird es im April / Mai 2018 einen weiteren großen Pflegetreff geben, der sich mit dem Thema "Pflegenotstand auflösen und kommunale Quartiershilfen gestalten" (Arbeitstitel) befasst. - Pflegekräfte und pflegende Angehörige sind zur Mitwirkung eingeladen!


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Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk macht seit vielen Jahren auf den Pflegenotstand aufmerksam.
Zahlreiche Beiträge informieren sachlich über die dringend erforderlichen Reformschritte, u.a.:


Merkel zollt Pflegekräften großen Respekt ... aber
http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =3&t=21908
Merkel räumt Defizite bei Pflege ein - Notstand erkannt?
> http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =3&t=22302
Die Altenpflege geht auf dem Zahnfleisch ...
> http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =3&t=22096
"Nachlegen in der Pflege" - JETZT Pflegenotstand auflösen
> http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =3&t=22011
Pflegekräfte brauchen Gesundheitsprävention
> http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =3&t=22246
Gesundheitssystem / soziales Netz - Ausgabenkollaps droht
> http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =4&t=22315
Jens Spahn erwartet konstruktive Ideen für Politik
> http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =4&t=22317
Interessenwahrnehmung für die Pflegekräfte ...
> http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =3&t=21365
Quartierskonzepte gestalten – Kommunen in der Pflicht ...
> http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =4&t=21213
Statement von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk vom 13.05.2014
> http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... se2014.pdf

WernerSchell
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Pflegenotstand auflösen & Quartiershilfen gestalten

Beitrag von WernerSchell » 01.01.2018, 09:17

Aus Forum:
http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... 13#p101513

Am 01.01.2018 bei Facebook gepostet:

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"Pflegenotstand auflösen & Quartiershilfen gestalten" ist die Herausforderung für das neue Jahr 2018! Die Bedürfnisse der Patienten und pflegebedürftige Menschen gehören in den Mittelpunkt aller Erwägungen, und nicht etwa die Ökonomie. Mehr personelle Zuwendung und ganzheitliche Betrachtung der kranken und hilfebedürftigen Menschen erscheinen dabei unabdingbar! - Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk wird sich in diesem Sinne weiter engagieren.
>>> http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... 12#p101512

Und was noch wichtig ist:
Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten.
Katharina von Siena

Vorsorglich stelle ich vor:

Neujahrsgebet des Pfarrers von St. Lamberti
zu Münster aus dem Jahre 1883:


Herr, setze dem Überfluss Grenzen –
und lasse die Grenzen überflüssig werden.
Lasse die Leute kein falsches Geld machen –
und auch das Geld keine falschen Leute.
Nimm den Ehefrauen das letzte Wort –
und erinnere die Männer an ihr erstes.
Schenke unseren Freunden mehr Wahrheit –
und der Wahrheit mehr Freunde.
Bessere solche Beamte, Geschäfts- und Arbeitsleute,
die wohl tätig – aber nicht wohltätig sind.
Gib den Regierenden gute Deutsche –
und den Deutschen eine gute Regierung.
Herr, sorge dafür, dass wir alle in den Himmel kommen –
aber bitte nicht sofort.


Man könnte dem Text noch aus aktuellem Anlass hinzufügen:

„Gib den Politikern und sonst Verantwortlichen die Einsicht, dass die Pflege - Rahmenbedingungen in Krankenhäusern und Heimen schnellstmöglich verbessert werden müssen und lasse deutlich werden, ... dass es nur mit mehr Pflegepersonal eine bessere Pflege geben kann. Denn nicht ökonomische Erwägungen dürfen dominieren, sondern allein die Interessen der kranken und pflegebedürftigen Menschen.“

WernerSchell
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Das Recht fühlt sich kalt an - Voßkuhle im Interview

Beitrag von WernerSchell » 07.01.2018, 08:16

"Das Recht fühlt sich kalt an. … Ich spüre mitunter eine gewisse emotionale Distanz zu den Institutionen des demokratischen Verfassungsstaats. … Mir scheint der Veränderungsdruck der Globalisierung das Bewusstsein stärker zu bestimmen. Die Frage, die viele Bürgerinnen und Bürger umtreibt, ist: Finden meine Werte und Wünsche, meine Heimat und meine Kultur in einer globalisierten Welt noch hinreichend Berücksichtigung? …"
Andreas Voßkuhle (54), Präsident des Bundesverfassungsgerichts in einem Interview. Quelle: Rheinsiche Post vom 06.01.2018 (> http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... 50#p101650 bzw. http://www.rp-online.de/politik/deutsch ... -1.7303982 ).

WernerSchell
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Stellenschlüssel für die die Pflege müssen deutlich verbessert werden

Beitrag von WernerSchell » 13.01.2018, 07:44

Aus Forum:
http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... 33#p101733

Bild Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Interessenvertretung
für hilfe- und pflegebedürftige Menschen in Deutschland
Harffer Straße 59 - 41469 Neuss


Die Vereinbarungen der GroKo-Verhandler zur Pflege enthalten überwiegend unverbindliche Absichtserklärungen. Die vorgesehenen zusätzlichen Stellen für die Pflegeeinrichtungen sind völlig unzureichend, um den Pflegenotstand merkbar zu vermindern.
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/ ... -10-15.pdf

Das Deutsche Institut für Pflegeforschung (dip) hat am 13.11.2017 einen Masterplan vorgelegt, mit dem die Dauerkrise in der Pflege beendet werden könnte. Die Pflegeforscher haben einen dreischrittigen Masterplan Pflege vorgeschlagen. Quelle: http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... 96#p101696

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Ziel des Masterplans Pflege ist es, u.a. die Vergütungen für Pflegepersonal (insbesondere in der Altenpflege) um bis zu 30 % anzuheben und bis zum Ende der Legislatur bis zu 100.000 zusätzliche Pflegestellen in Krankenhäusern, Altenheimen und ambulanten Diensten zu schaffen.

Eine erste Einschätzung ergibt u.a.: Die Vereinbarungen der GroKo-Sondierer werden diesem Masterplan in keiner Weise gerecht. Es muss daher ernsthaft bezweifelt werden, dass die Sondierer den "Ernst der Lage" begriffen haben.


Werner Schell, Dozent für Pflegerecht und Vorstand von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk

WernerSchell
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Sondierungsergebnis: Verbesserungen für die Pflege nicht in Sicht

Beitrag von WernerSchell » 15.01.2018, 07:29

Aus Forum:
http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =3&t=22463

Pflegenotstand - Auswege der Misere - Statement aus Patientensicht vom 02.02.2010 - Die Ausführungen sind weiter aktuell - denn verbessert hat sich seit 2010 nichts - im Gegenteil!

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Vor und nach der Bundestagswahl am 24.09.2017 hat es zahlreiche Erklärungen zum Pflegenotstand gegeben. Alle Parteien haben sich mit Reformankündigungen nahezu überboten. Bis zum Abschluss der Sondierungsgespräche von Union und SPD sind aber keine überzeugenden Vorstellungen präsentiert worden, wie der Pflegenotstand JETZT endlich einer Lösung zugeführt werden soll. Das Sondierungsergebnis vom 12.01.2018 ist völlig unzureichend. Kritische Anmerkungen waren daher zwingend geboten. > http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... 46#p101746
Es ist nun nicht etwa so, dass der Pflegenotstand erst in den letzten Monaten entstanden wäre. Nein, diesen Notstand gibt es seit mehr als 20 Jahren, allerdings mit zunehmender Tendenz. Für die Gestaltung der verabschiedeten Pflegestärkungsgesetze I, II und III gab es von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk ein umfangreiches Statement mit zielführenden Vorschlägen, dass dem Bundesgesundheitsminister beim Neusser Pflegetreff am 13.05.2014 übergeben wurde. > http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... se2014.pdf
Vorausgegangen waren zahlreiche weitere Erklärungen zum Gesundheits- und Pflegesystem, immer verbunden mit konkreten Handlungsanforderungen. Bereits für eine Veranstaltung am 02.02.2010 wurden die Mängel des Systems konkret beschrieben und der Pflegenotstand mit seinen nachteiligen Folgen für alle Beteiligte verdeutlicht. Der Beitrag wird aus aktuellem Anlass noch einmal präsentiert. Es kann sich ernstlich niemand damit herausreden, man habe das Ausmass der Misere nicht gekannt:


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Redebeitrag
Werner Schell – Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de
bei Veranstaltung am 02.02.2010 in Köln
Tagungsort: Caritas-Akademie,
Wertmannstr. 1a, 50935 Köln-Hohenlind
Pflegesituation in Krankenhäusern aus Patientensicht

Quelle: http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... hp?t=13301

Pflegesituation in Krankenhäusern aus Patientensicht

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße es sehr, dass der personelle Notstand in den Pflegesystemen hier und heute thematisiert wird.

Woran es meiner Meinung nach seit geraumer Zeit mangelt, ist die deutliche Beschreibung und Aufarbeitung eines Problems, das nicht nur einer berufspolitischen Erörterung bedarf. Dieses Problem wirkt nämlich in die gesamte Gesellschaft und geht uns damit alle etwas an.

Es ist mehr als überfällig, auch außerhalb der Fachkreise über die personelle Not in unseren bundesdeutschen Pflegesystemen zu sprechen und für die allseits gewünschte und geforderte gute Pflege einzutreten.

Pflegebedürftige Menschen, Patienten und ihre Angehörigen wünschen sich in schwierigen Krankheitssituationen vor allem bestmögliche ärztliche Versorgung und Pflege und legen daher Wert auf entsprechende auskömmliche Betreuungs- und Versorgungsstrukturen - personell wie sachlich.

In § 107 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V ist bei der Definition, was „Krankenhäuser“ sind, ausgeführt, dass Krankenhäuser Einrichtungen sind , die u.a. „mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten.“

Interessant an dieser Vorschrift ist, dass hier von „jederzeit verfügbarem Personal“ die Rede ist. Damit ist eigentlich suggeriert, dass es bei der Patientenversorgung keinen Personalmangel geben darf.

Die tatsächlichen Verhältnisse bleiben aber bedauerlicherweise weit hinter dem zurück, was die Menschen erwarten und folgerichtig der Gesetzgeber vorgegeben hat.

Ich freue mich daher, dass ich in dieser Veranstaltung Gelegenheit erhalte, den aktuellen und belegbaren Notstand in Krankenhäusern und Pflegeheimen aus Patientensicht anzusprechen und für Aktivitäten einzutreten, die eine menschenwürdige Behandlung, Pflege und sonstige Betreuung der kranken, behinderten und pflegebedürftigen Menschen ins Auge fassen!

Ich bin seit rd. 40 Jahren in der Selbsthilfe- bzw. in der Patientenschutzbewegung ehrenamtlich aktiv und sehe mit großer Sorge, dass sich in den letzten 10 - 15 Jahren das Gesundheits- und Pflegesystem zum Nachteil von Patienten und Pflegepersonal deutlich verändert hat.

Es wurde eine Politikrichtung begründet, die sich fast ausschließlich an der Kassenlage bzw. an rein marktwirtschaftlichen Erwägungen orientiert!

Ökonomisierung und Wettbewerb ist die aktuelle Devise.

Diagnostik, Behandlung und Pflege erscheinen mir nicht mehr ausreichend patientengerecht – oder sagen wir menschenwürdig - gestaltbar. – Die Folgen und Nebenwirkungen – bis zu den Anfängen einer Rationierung - gehen klar zu Lasten der Patienten und der Gesundheitsberufe.

Die zwangsläufige Folge ist, dass vor allem die Bundesärztekammer die „Priorisierung und Rationierung“ im Gesundheitswesen zum Thema gemacht hat.

Zumindest ergänzende kapitalgedeckte Versicherungsmodelle werden diskutiert. Ob und inwieweit damit eine Entsolidarisierung des Gesundheits- und Pflegesystems eingeleitet wird, darf hinterfragt werden.

Diesen Entwicklungen und neuerlichen Denkmodellen muss m.E. in breiter Front eine Initiative für menschenwürdige Behandlung, Pflege und sonstige Betreuung entgegen gestellt werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheits- und Pflegesystem, Betroffene, Angehörige und sonst Interessierte sind daher aufgerufen, auf den deutlich gewordenen Notstand in den Gesundheits- und Pflegesystemen aufmerksam zu machen und grundlegende Änderungen auf solidarischer Basis einzufordern.

Als Streiter für die notwendigen Veränderungen sehe ich die Mitarbeiterinnnen und Mitarbeiter des Gesundheits- und Pflegesystems an vorderster Front!

Allerdings müssen auch die Patienten und die Angehörigen bzw. die Bürgerschaft für ein Aktionsbündnis Pro Pflege …. mobilisiert werden.

Die Leistungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sind vor allem deshalb nicht ausreichend, mancherorts sogar gefährlich, weil es an den zwingend notwendigen Stellen für das Personal, vor allem im pflegerischen Bereich, mangelt!

Es gibt nicht einmal einheitliche und vernünftige Pflegepersonalbemessungssysteme! Die früher für die allgemeinen Krankenhäuser maßgeblich gewesene Pflege-Personalregelung (PPR) wurde ersatzlos aufgehoben.

Der Sorgfaltsmaßstab der §§ 276, 278 BGB ist daher letztlich allein für die Personalbemessung maßgeblich, beliebig dehn- und deutbar.

Personal- bzw. Pflegestellen werden mittlerweile als bloße Kostenfaktoren betrachtet und nach Belieben anderen Bedürfnissen untergeordnet. Die Hoheit über die Budgetgestaltung – und damit auch über Personalstellen - liegt weitgehend bei den Kranken- und Pflegekassen.

Für den Bereich der stationären Pflegeeinrichtungen habe ich in einem Statement vom 10.11.2009 u.a. ausgeführt:

„Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk vertritt die Meinung, dass reformerische Maßnahmen einmal die professionell Pflegenden, aber auch die (ehrenamtlich) tätigen Angehörigen betreffen müssen. Die allseits gewünschte und erforderliche Zuwendung für pflegebedürftige Menschen kann nur dadurch gewährleistet werden, dass deutlich mehr Pflegefachpersonal und sonstige Betreuungskräfte zur Verfügung stehen. Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk schätzt, dass ein Personalmehrbedarf von rd. 20% vorliegt.
Damit aber dieser Bedarf auf einer seriösen Basis ermittelt werden kann, werden bundesweit geltende Personalbemessungssysteme für dringend erforderlich erachtet. Die zur Zeit zur Anwendung kommenden regional geltenden Personalschlüssel und sonstigen Schätzparameter werden als unzureichend eingestuft mit der Folge, dass eine Anstellung von Personal mehr oder weniger nur den Finanzierungsmöglichkeiten folgt (= Beschäftigung von Pflegepersonal und sonstigen Betreuungskräften nach Kassenlage). Dieser Zustand muss endlich überwunden werden. Dann wäre auch genügend Zeit für angemessene gute Pflege und sonstige Zuwendung gegeben. Ohne ausreichend bemessene Personalausstattungen wird es keine Verbesserungen - und damit eine Abwendung von der sog. Minutenpflege - geben können.
In diesem Zusammenhang muss auch Berücksichtigung finden, dass eine Verkürzung der Wehrdienstzeit auf sechs Monate zu einer entsprechend verkürzten Zivildienstzeit führen wird und damit den Pflegesystemen zahlreiche Zivildienstleistende als nützliche Helfer verloren gehen. Die insoweit entstehenden personellen Lücken müssen bei der notwendigen Personaldotierung angemessen Berücksichtigung finden. Der Personalmehrbedarf wird bei einer Verkürzung des Wehrdienstes deutlich über der o.a. Schätzmarke liegen.
Um es auf den Punkt zu bringen:
Wer alte und kranke Menschen mit so wenig Personal (Geld) allein lässt, der verachtet sie!“

Eine nicht bestreitbare Erklärung für den Pflegenotstand lieferte bereits am 18.07.2007 u.a. das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (dip) in Köln unter dem Titel „Pflege-Thermometer 2007“:

50.000 Stellen für Pflegekräfte seien, so das Institut, in den letzten 10 Jahren in den Krankenhäusern abgebaut worden.

Nach der „dip“-Studie werden seit 1995 jährlich rd. 1 Million Patienten mehr in den deutschen Kliniken versorgt und betreut. Jede Pflegekraft muss dement-sprechend rd. 23% mehr Patienten versorgen. Die individuelle Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit hat gleichzeitig deutlich zugenommen. In der Pressemitteilung zur „dip“-Studie wurde weiter ausgeführt:

• Nach Einschätzung der befragten Pflegedirektionen wirkt sich die angespannte Personalsituation in der Krankenhauspflege bereits jetzt auf die Patientenversorgung und -sicherheit aus.
So können Umlagerungen, Mobilisationen, Schmerzmittelverabreichungen und Überwachungen von operierten Patienten nicht mehr in jedem Krankenhaus optimal gewährleistet werden.
• In 20 Prozent der Krankenhäuser nehmen die Beschwerden von Patienten und Angehörigen über die Versorgung zu.
• 40 Prozent der Befragten rechnen nicht mit einer Verbesserung der pflegerischen Qualität der Patientenversorgung.
• 30 Prozent der befragten Pflegedirektionen konnten in den letzten beiden Jahren nicht mehr permanent eine ausreichende Pflege-Versorgung anbieten.
• Umgekehrt konnte auch nur gerade mal ein Drittel der befragten Einrichtungen erklären, die grundpflegerische Versorgung und eine regelmäßige Lagerung der Patienten gewährleistet zu haben.
• Nur ein Viertel der Einrichtungen gibt an, eine engmaschige Kontrolle von Patienten, etwa nach einem operativen Eingriff, ausnahmslos gewährleisten zu können. Anders: Dreiviertel der Befragten kann das nicht mehr.
• Als Folge der sinkenden Kontakthäufigkeit zwischen Krankenpflege-Personal und Patienten müssen in mehr als 75 Prozent der Einrichtungen unter Schmerzen leidende Patienten länger als 15 Minuten auf die notwendige Verabreichung von Schmerzmitteln warten.
Prof. Dr. Michael Simon hat u.a. in seiner vielbeachteten Buchveröffentlichung „Personalabbau im Pflegedienst der Krankenhäuser - Hintergründe – Ursachen – Auswirkungen“ (Hans Huber Verlag) eine eigene Untersuchung präsentiert und dabei u.a. herausgestellt, dass „die Zahl der tatsächlich beschäftigten Vollkräfte im Pflegedienst der Allgemeinkrankenhäuser im Jahr 2006 um ca. 71.000 unter dem Vollkraft-Soll“ lag. Eine eindrucksvolle Darstellung der Pflegenot!

Prof. Dr. Michael Simon folgerte u.a.:

"Je niedriger die Personalbesetzung ist, desto höher ist das Risiko für Patienten. Eine Vielzahl schwerwiegende Komplikationen können sich realisieren; z.B.: Harnwegsinfektion, Sturz, Venenthrombose, Druckgeschwüre, Medikationsfehler, Blutungen, Lungenentzündung."

185 000 Unterzeichner der Kampagne „Uns reicht`s“ haben im September 2008 den Zusammenhang zwischen Pflegekapazität und Patientensicherheit deutlich machen können. Das Bundesgesundheitsministerium war offensichtlich so beeindruckt, dass man seinerzeit die Finanzierung von zusätzlichen 17.000 Stellen für den Krankenhaus-Pflegedienst bewilligt hat. –Nach einer Mitteilung der Pressereferentin des DBfK von Ende 2009 sind die von der Politik versprochenen Hilfen aber bisher kaum bei den Pflegenden angekommen.

Daher ist hier und heute aus Patientensicht folgende Zwischenbilanz gerechtfertigt:

In der Gesundheitsversorgung können vor allem mangels fehlender Pflegekräfte gefährliche Pflegesituationen kaum noch vermieden werden! Die Patientensicherheit muss als ernsthaft gefährdet eingestuft werden.

Ich denke, dass Ihnen solche gefährliche grundsätzlich bekannt sind. Es drängt sich aber auf, an dieser Stelle noch einmal ein wenig komprimiert einige Mangelsituationen zu beschreiben oder auch nur in Erinnerung zu rufen:

Die katastrophale Lage in den Einrichtungen des Gesundheitswesens spiegelt zum Beispiel eine Meinungsumfrage des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe e.V. (DBfK) wider, die am 30.01.2009 vorgestellt wurde. Danach sei, so der DBfK, die Lage sowohl für die Beschäftigten in den Pflegeberufen als auch für die Patienten dramatisch.

2.000 Teilnehmer aus dem Bereich Krankenhaus berichteten u.a.:

- 32,3% erwägen die Berufsaufgabe und den Wechsel in eine andere Tätigkeit mehrfach wöchentlich bis täglich.
- 42,5% würden die eigenen Angehörigen, Freunde oder Bekannte nicht im eigenen Arbeitsbereich versorgen lassen.
- 71,7% sehen die Attraktivität des Pflegeberufes für junge Generationen in den kommenden 10 Jahren drastisch verschlechtert.
- 82,5% sind der Meinung, dass die Personalausstattung im eigenen Arbeitsbereich nicht ausreichend ist.
- Über 2/3 der Teilnehmer (66,8%) sind mehrfach wöchentlich bis täglich mit widersprüchlichen Arbeitsanweisungen konfrontiert, erhalten wichtige Informationen unzureichend oder zu spät und mehr als die Hälfte der Teilnehmer haben fast nie eine geregelte und vollständige Pause.

Der Abschlussbericht zur Online-Umfrage des DBfK wurde am 14.08.2009 öffentlich vorgestellt; er ist im Internet vollständig abrufbar.

In der Zeit vom 01.02. – 30.04.2009 wurde von der Initiative für menschenwürdige Pflege in 9 Akutkrankenhäusern eine Umfrage zum Ausmaß „gefährlicher Pflege“ durchgeführt. Etwa 3.000 Personen waren angesprochen, nahezu 1.000 haben geantwortet. Das Ergebnis im Wesentlichen:

- Fast die Hälfte der Befragten gab an, Lagerungen zur Dekubitusprophylaxe „immer“, „häufig“ oder „regelmäßig“ nicht durchführen zu können.
- Nur etwa die Hälfte der Pflegekräfte könne von sich sagen, dass die Unterstützung dementer oder hilfsbedürftiger Patienten beim Essen und Trinken, die Mobilisierung geschwächter Kranker und die Vitalzeichenkontrollen nach Operationen oder Untersuchungen in Narkose immer geleistet werde.
- Nicht einmal jede fünfte Fachkraft könne sicherstellen, dass auf Schmerzen schnell reagiert wird.
- 4 von 5 Befragten klagen, dass die nicht genügend Zeit für Gespräche mit Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen haben.
- Nur 6% können rechtzeitig jedem Klingelruf folgen.
- Besonders erschreckend: Obwohl in allen Einrichtungen Pflegestandards gelten, können nur noch 4,3% der Befragten diese Standards tatsächlich einhalten.

Da Standards grundsätzlich als Maßstab für sorgfaltsmäßiges Handeln zu gelten haben, sind Fehler und im Gefolge eine Haftung vorprogrammiert.

Zu diesen Befragungsergebnissen passt ein Text aus dem Internet, den ich auszugsweise wie folgt zitiere:

„Wer in ein Krankenhaus eingeliefert wird, erwartet, dass er medizinisch gut behandelt wird und ausreichend Personal da ist, um den Heilungsprozess zu unterstützen. Doch die Realität ist längst eine andere. …. 36-Betten-Stationen mit Schwerstpflegefällen werden oft nur noch mit zwei Pflegekräften versorgt. Weil keine Schwester da ist, um Patienten zur Toilette zu begleiten, werden Blasenkatheter und Windeln eingesetzt. Wenn kein Pflegepersonal da ist, um Menschen beim Essen und Trinken zu helfen, werden Magensonden und Infusionen gelegt. … Es herrscht … Pflegenotstand in den deutschen Kliniken. Er ist Folge der politisch bewusst herbeigeführten Unterfinanzierung der Krankenhäuser durch Bund, Länder und Kommunen. … Neben den Patienten sind die Krankenhausbeschäftigten die Hauptleidtragenden. Sie versuchen immer wieder den Personalmangel auszugleichen, nehmen ihre Pausen nicht, bleiben über den Dienstschluss hinaus, springen ein, wenn jemand fehlt. Wenn z.B. im Nachtdienst plötzlich eine Pflegekraft ausfällt, hängt jemand aus dem Spätdienst notfalls noch eine Schicht dran. Es gibt Berge von Überstunden, die nicht abgefeiert werden können. …“

Quelle: http://www.trueten.de/archives/4314-Pfl ... euser.html

In einer Pressemitteilung der Fachhochschule Frankfurt am Main vom 14.01.2010 wurden Hinweise zu einer Befragung von mehr als 2.200 im OP-Bereich tätigen Pflegekräften vorgestellt.

Prof. Busse stellt darin u.a. heraus: Auffallend sei die sehr niedrige Quote an Pflegekräften, die ihren Beruf nochmals in demselben Krankenhaus ergreifen würden (rd. 44%). Rd. 56% der MitarbeiterInnen hätten angegeben, dass die Patientengefährdung in den OP-Bereichen zugenommen habe; nur rd.36% meinten, genügend Zeit für die Patientenbetreuung zu haben.

Unabhängig von den vorgestellten Befragungsergebnissen haben mir Pflegekräfte erst kürzlich mitgeteilt:

Aufgrund von Fachkräftemangel auf bestimmten Stationen (u.a. ging es um eine Kinderintensivstation) sind viele neue Mitarbeiter ohne Fachweiterbildung, dadurch stellt sich wieder die Frage nach dem Spritzenschein. Hintergrund dieser Anfrage war, dass behandlungspflegerische Maßnahmen verstärkt „nach unten“ delegiert werden sollen.

Genau dazu passend weitere Berichte:

Pflegefachkräfte sind mit großem Zeitaufwand mit Dokumentationsaufgaben und sonstigem Schriftkram befasst und können daher zum Teil pflegerische Aufgaben beim Patienten nicht selbst wahrnehmen, sie müssen zunehmend vorhandenes Hilfspersonal anleiten und einsetzen. Dass darunter die Qualität der Pflege leidet, versteht sich.

Erst vor wenigen Tagen wurde mir von einer Fachpflegekraft mitgeteilt:

Ein Patient mit Tetraspastik kommt zur Fußoperation, kann seine Arme nicht benutzen. Pflegerisches Problem: 3 mal täglich Essenseingabe a 45 Minuten. Wegen Pflegekräftemangel muss Aushilfe organisiert werden. Die Pflegemitarbeiter können die Hilfe beim Essen nicht gewährleisten.
Ohne die Beteiligung von Angehörigen an bestimmten Verrichtungen, z.B. Essenseingabe, Unterstützung bei Mobilisierungsmaßnahmen, wäre das Arbeitspensum nicht zu schaffen.

Zahlreiche Pflegekräfte, die ich auf mögliche Probleme am Arbeitsplatz angesprochen habe, baten im Übrigen um Verständnis dafür, lieber nichts sagen zu wollen. Man wolle schließlich nichts riskieren, denn letztlich stünde immer der Arbeitsplatz zur Disposition. Die zur Zeit sich verstärkende Tendenz, vielfach nur noch befristete Arbeitsverträge abzuschließen, zeige, wo es lang gehe. Und es sei nicht unbedingt einfach, im Umfeld des momentanen Lebensmittelpunktes eine neue Betätigung zu finden.

Nach eigenen Feststellungen nehmen sich Patienten bei Krankenhausaufenthalten oftmals mit ihren Wünschen und Hilfeersuchen zurück, weil sie sehen, dass die Pflegekräfte total ausgelastet sind, nicht selten gehetzt erscheinen.

Man will dann nicht noch zusätzlich für Druck sorgen, fürchtet eine allzu schnelle Abfertigung. Es werden dann auch in Eigenregie Angehörige oder sonstige Personen mobilisiert, um zu bestimmten Zeiten Hilfeleistungen erhalten zu können.

Die fehlenden Personalstellen für Pflegekräfte und anderer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefährden aber nicht nur Patienten und pflegebedürftige Menschen, sondern führen zunehmend zu unerträglichen Arbeitsverdichtungen für die jetzigen Stelleninhaber und ruinieren deren Gesundheit.

Jeder fünfte Pflegende denkt folglich ans Aufhören – Dies ergibt sich aus einer Forsa-Umfrage aus 2007. – Das muss nachdenklich stimmen!

Der wichtigste Faktor in der Pflege sind die Pflegenden, denn Menschen können nur von Menschen gepflegt werden.

Wir brauchen daher keinen Stellenabbau, sondern eine Ausbildungs- und Beschäftigungsoffensive in allen Bereichen der Pflege – und nicht nur dort!

Wir müssen in dieser Gesellschaft mit den Pflegenden pfleglicher umgehen und ihnen gegenüber die verdiente uneingeschränkte öffentliche Anerkennung und Würdigung bekunden.

Ich jedenfalls will Ihnen in diesem Sinne gerne den Rücken stärken, besonders dann, wenn Sie durch unqualifizierte pflegekritische Äußerungen pauschal für systemische Fehlentwicklung verantwortlich gemacht werden.

Nicht die wirklichen Patientenbedürfnisse scheinen bisher im Mittelpunkt der politischen Betrachtungen zu stehen, sondern allein die Ökonomisierung des „Marktes Gesundheitswesen“. Man könnte folgern: „Monethik statt Ethik.“

Wir müssen uns im Übrigen klar machen:

Die demografische Entwicklung in Deutschland wird die altersmäßige Zusammensetzung der Gesellschaft grundlegend verändern und damit die Versorgungs- und Pflegeprobleme weiter dramatisch verschärfen:

Nach seriösen Schätzungen wird zum Beispiel die Zahl der pflegebedürftigen Menschen von heute über 2 Millionen bis zum Jahre 2050 auf über 5 Millionen ansteigen. Dabei werden die dementiell erkrankten Menschen stark vertreten sein. Deren Zahl wird sich bis etwa 2050 in Richtung 3 Millionen bewegen. Es versteht sich daher, dass diesem Krankheitsbild besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist, auch bei der jetzigen Ausbildung, Fort- und Weiterbildung von Pflegekräften.

Die Situation pflegebedürftiger Menschen in der BRD am Beispiel Demenz hat bereits den 111. Deutschen Ärztetag 2008 in Ulm veranlasst, eine klare Positionsbeschreibung abzugeben:

Gefordert wurde vom Ärztetag u.a. eine Aufstockung der derzeitigen Personalbudgets um rund 30%. Damit geht die Ärzteschaft über meine eigene Forderung bezüglich einer Personalaufstockung, die bei rund 20% liegen, deutlich hinaus!

Was noch bedenkenswert ist:

Es werden künftig immer weniger Menschen ihre Angehörigen zu Hause pflegen. Kinderlosigkeit und Single-Dasein führen dazu, dass in Zukunft auf jeden Pflegebedürftigen immer weniger Angehörige kommen werden.

Politik und Betroffene müssen sich daher darauf einstellen, dass die Pflege wesentlich stärker als bisher durch professionelle Pflegekräfte erfolgen wird. Entsprechende Folgerungen müssen alsbald gezogen werden. Eine Ausbildungsoffensive in der Pflege erscheint mir unausweichlich. Eine solche Offensive wäre, nebenbei gesagt, auch eine sinnvolle Maßnahme zur Verringerung der Arbeitslosigkeit in Deutschland. Es würde das Wachstum im Dienstleistungssektor nachhaltig gestärkt.

Unser Pflegesystem hat, wie schon ausgeführt, erhebliche strukturelle Mängel, die bereits aktuell zahlreiche pflegebedürftige Menschen bzw. ihre Angehörige in personelle und finanzielle Not bringen.

Die steigende Zahl der schwerkranken Patienten bzw. pflegebedürftigen Menschen und die insoweit erforderlichen Finanzmittel erfordern daher eine Reform des bundesdeutschen Pflegesystems an „Haupt und Gliedern“.

Wahrscheinlich werden wir demnächst alle für die Gesundheit und Pflege mehr Geld bereithalten bzw. ausgeben müssen. Möglicherweise wird der Konsum zwangsläufig hinter den Vorsorgeanstrengungen zurücktreten müssen!

Insoweit sollten die Bürgerinnen und Bürger bald realitätsbezogene Aufklärung erhalten. Allen bereits jetzt erkennbaren Ansätzen, in Deutschland eine Art Billigpflege in Gang zu setzen, muss mit Entschiedenheit entgegen getreten werden.

Die allseits gewollte gute Pflege muss auch gut bezahlt werden! Daher kann es auch keine kostenneutralen Reformen in den Gesundheits- und Pflegesystemen geben.

Sollten sich die politisch Verantwortlichen weiter an einer wirklichen – den Pflegeberufen und Patienten gerecht werdenden - Reform vorbeidrücken, werden wir in eine Pflegekatastrophe hineinschliddern – pflegemäßig und finanziell!

Ich fordere nach all dem aus Sicht der Patientenselbsthilfe für den Krankenhausbereich eine schnellstmögliche deutliche Aufstockung der Personalstellen, vor allem für den pflegerischen Bereich. Dazu wird es u.a. erforderlich sein, die Krankenhausbudgetierung in der bisherigen Form aufzugeben.

Die Verantwortlichen müssen dabei sicherstellen, dass der nichtärztliche Personalanteil innerhalb des Budgets nicht beliebig als Spardose genutzt werden darf.

Es wird aber auch als sinnvoll erachtet, erneut die Schaffung von bundeseinheitlichen Personalbemessungssystemen vorzusehen, sowohl für den Krankenhaus- wie für den Heimbereich.

Die Mitarbeiterinnnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern und sonstigen Pflegeeinrichtungen müssen deutlicher und auch lauter – zusammen mit Berufsverbänden und Gewerkschaften - ihre Vorstellungen über die notwendigen Veränderungen im Gesundheits- und Pflegesystem äußern. Es muss meines Erachtens ein Zustand beendet werden, bei dem die Pflege beim Gemeinsamen Bundesausschuss, dem sog. Gesetzgeber für das Gesundheitswesen, am „Katzentisch“ sitzt und folglich über keinen entscheidenden Einfluss verfügt. Ein wenig „Lokführermentalität“ würde der Pflege gut tun. - Ich werde dabei gerne im Rahmen verschiedener Aktivitäten unterstützend mitwirken!

So wird es zum Beispiel am 27.04.2010 in der Zeit von 18.00 – 20.00 Uhr in Neuss-Erfttal einen größeren Pflegetreff geben, bei dem der Pflegenotstand und damit zusammenhängende Fragestellungen eine Rolle spielen werden. Es geht um das Thema:

„Welche Pflege wollen wir (uns leisten)?“

Es soll also letztlich aus Patientensicht darum gehen herauszuarbeiten, welche Leistungen in den Pflegesystemen zur Verfügung stehen sollen oder müssen und welche Reformmaßnahmen geboten erscheinen.

Dabei soll auch deutlich auf die pflegerische Unterversorgung in Krankenhäusern und stationären Pflegeeinrichtungen hingewiesen und entsprechendes politisches Handeln eingefordert werden. Es ist beabsichtigt, in diesem Zusammenhang auch auf die Einführung von bundeseinheitlichen Personalbemessungssystemen zu drängen.

Um insoweit fundiert argumentieren zu können, wird beim Pflegetreff auch Herr Prof. Isfort vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung und zugleich Vorstandsmitglied an der Katholischen Fachhochschule Köln anwesend sein und unsere Forderungen mit aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen untermauern.

Für die Pflegeverbandsseite wird Frau Gertrud Stöcker, Vorstandsmitglied des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe, in Neuss anwesend sein.

Bei Pflegetreff werden auch Vertreter aus dem Deutschen Bundestag erwartet, so dass diesen Parlamentariern vor Augen geführt werden kann, was wir, die Patienten bzw. Vertreter von pflegebedürftigen Menschen, wollen und wie es um die Personalnot in Krankenhäusern und Heimen bestellt ist.

Zugesagt haben bis jetzt Frau Elisabeth Scharfenberg, MdB / Bündnis90/DieGrünen, und Frau Hilde Mattheis, MdB / SPD. Die beiden Damen sind jeweils pflegepolitische Sprecherinnen ihrer Fraktion.

Das „dip“ hat am 31.08.2009 eine Befragung zur Situation in der Krankenhauspflege gestartet. Befragt werden bundesweit Pflegekräfte in Krankenhäusern (bettenführender Bereich und Intensivstationen). Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen Fragen zur personellen Ausstattung, zu den beruflichen Entwicklungschancen und zur Patientensicherheit.

Da Herr Prof. Isfort als Leiter der neuen Befragungsaktion zum Pflegetreff nach Neuss kommen wird, können wir voraussichtlich die ersten Ergebnisse zur Befragung präsentieren.

Um die Veranstaltung auch wirkungsvoll durchführen zu können, wäre die Anwesenheit möglichst vieler Pflegekräfte wichtig. Wir verstehen die Veranstaltung nämlich auch als Demonstration für eine klar verbesserte pflegerische Versorgung auf der Basis einer guten pflegerischen Personalausstattung.

Wenn Sie dabei mithelfen wollen, sind Sie herzlich zum Pflegetreff eingeladen. Eintrittsgebühren gibt es nicht, auch keine Anmeldeerfordernisse. Geben Sie die Botschaft vom Pflegetreff an Interessierte weiter. Sie helfen damit dem Anliegen „Behebung der Pflegenot“ und unterstützen uns, den Treff zu einer gelungenen Demonstration werden zu lassen.

Wir machen das übrigens alles ehrenamtlich. Sämtliche Referenten kommen ohne Honorar und ohne sonstige Kostenerstattungen.

Zum Pflegetreff können Sie sich im Internet stets aktuell über den Stand der Vorbereitungen informieren:
Quelle: http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... hp?t=12279

Soweit meine Ausführungen.


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Auszubildende in Pflegeberufen leiden unter Zeitdruck - dpa Bildfunk

Die Sondierer haben entgegen ihren Behauptungen anscheinend in Sachen Pflege nichts verstanden. Daher passt die nachfolgende Medizinerbemerkung::

"Nicht jeder, der tat was er konnte, konnte auch, was er tat."
Gerhard Uhlenbruck, Mediziner

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