Der Runde Tisch Demenz Neuss befasste sich am 22.08.2023 intensiv mit dem Thema "Delir"

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Der Runde Tisch Demenz Neuss befasste sich am 22.08.2023 intensiv mit dem Thema "Delir"

Beitrag von WernerSchell » 08.01.2024, 09:18

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Der Runde Tisch Demenz Neuss befasste sich am 22.08.2023 intensiv mit dem Thema "Delir"

Der Runde Tisch Demenz Neuss hat am 22.08.2023 ein Treffen aller Beteiligten durchgeführt und sich vornehmlich mit dem Thema "Delir" befasst. Ein dazu vorbereitetes Statement ist nachfolgend angefügt. Es wurde nach einer lebhaften und sehr konstruktiven Diskussion als notwendig erachtet, dem Rhein-Kreis Neuss vorzuschlagen, das Thema "Delir" in der nächsten Sitzung der Konferenz für Alter, Gesundheit und Pflege am 24.10.2023 anzusprechen und weiterführende Erörterungen bzw. Handlungsanforderungen in einem einzurichtenden Arbeitskreis zu erörtern.

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Delir - eine Beeinträchtigung, die v.a. ältere Patienten betrifft!
Statement Werner Schell

Zum Thema Delir gab es bereits am 04.06.2014 einen Vortrag in der Gesundheitskonferenz des Rhein-Kreises Neuss durch die Ärztin Dr. med. Simone Gurlit (Münster). Ich hatte die Aufnahme dieses Themas mit Blick auf die immer älter werdenden Patienten in der Krankenhausversorgung angeregt. Mir waren zuvor bereits mehrfach Delirsituationen bei älteren Patienten (teilweise) aufgefallen. Es war damals klar, dass man sich im Rhein-Kreis Neuss um das Thema kümmern wolle. Erkennbar geschehen ist aber nichts. - Daher macht es Sinn, das Thema nochmals aufzugreifen mit dem Ziel, vor allem ältere Patienten zur Delirvermeidung besonders in den Blick zu nehmen.

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Delir (auch als Delirium bzw. Verwirrtheitssyndroum bezeichnet)
 Delir bedeutet übersetzt etwa so viel wie "aus der Spur geraten". - Hauptsymptome sind eine akute Wesensän-derung im Rahmen einer schweren Akuterkrankung und geht mit einer Unordnung der Wahrnehmung und Gedanken sowie einem selbstgefährdenden Bewe-gungsdrang einher.
 Im Gegensatz zu einer Demenz entwickelt sich das Delir nicht schleichend und kontinuierlich, sondern plötzlich innerhalb von Stunden oder Tagen. Das Delir ist ei-ne der häufigsten Komplikationen im Verlauf einer Demenzerkrankung.
 Die Unterscheidung zwischen Delir und Demenz ist oftmals schwierig, da die Symptome sehr ähnlich sind. Das Delir kann die Symptomatik einer vorbestehenden Demenz verstärken.
 Die Diagnostik erfolgt durch klinische Untersuchung von Orientiertheit, Aufmerksamkeit und Ablenkbarkeit durch verschiedene Tests.
 Die Behandlung besteht aus intensiver Zuwendung und Medikamentengabe. In der Mehrzahl der Fälle bildet sich ein Delir zurück.
 Dennoch: Ein (postoperatives) Delir birgt die Gefahr einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit und ein erhöhtes Sterberisiko. Daher ist es wichtig, Delir gefährdete Personen bei der Behandlungsplanung frühzeitig zu erkennen und ggf. geeignete Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.
 Daher: Delirprävention wichtig!

Weitere Informationen zum Delir - ein Überblick:
Nach einer Operation unter Narkose leiden etwa 5 bis 15% aller Patienten an einem sog. postoperativen Delir. Bei den über 60-Jährigen sind es sogar 30 bis 40%. Die schwere Funktionsstörung des Gehirns ist mit einem lang anhaltenden intensiven Albtraum vergleichbar. Gestört sind bei einem Delir zum Beispiel:
• Bewusstsein, Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Denken und Gedächtnis
• Psychomotorik und Emotionalität
• Schlaf-Wach-Rhythmus
Je älter Patienten sind, desto eher wirken sich Eingriffe im Krankenhaus negativ aufs Gehirn aus - und somit auch auf das Gedächtnis. Denn durch Alterung lässt die Fähigkeit des Gehirns nach, auf Störungen zu reagieren und sie auszugleichen. Durch eine Operation oder einen Aufenthalt auf der In-tensivstation ist das Gehirn dann schnell überfordert.
Das Delir kann direkt nach dem Erwachen aus der Narkose auftreten, innerhalb der ersten Stunden nach der Operation oder erst einige Tage später. Typische Symptome sind Pha-sen von Desorientierung, Verwirrtheit, körperlicher Unruhe, Wahnvorstellungen und Halluzinationen. Betroffene sehen zum Beispiel Gegenstände oder Lebewesen, die nicht real sind, oder sie erkennen ihre Angehörigen nicht, sind verwirrt oder aggressiv. Doch meist sind die Anzeichen viel subtiler: Die Betroffenen wirken apathisch und depressiv. Oft fällt den Angehörigen erst zu Hause auf, dass etwas nicht stimmt.
In vielen Fällen handelt es sich beim Delir um eine vorübergehende Störung ohne Spätfolgen. Etwa 40% der Betroffenen sind jedoch auch ein Jahr nach dem Ereignis noch so stark in ihrer geistigen Leistungsfähigkeit eingeschränkt, dass sie dauerhaft unselbständig bleiben.
Ein Delir kann die Entwicklung von Demenzerkrankungen fördern. In einigen Fällen bestanden bereits leichte Gedächtnisstörungen oder erste Anzeichen einer Demenz, die aber im Alltag nicht aufgefallen waren. Ein postoperatives Delir kann zu einem deutlichen Fortschreiten dieser Entwicklung führen.
Die genauen Ursachen für die Entstehung eines Delirs sind noch nicht geklärt. Fest steht, dass es sich um ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren handelt. Eine entscheidende Rolle wird dabei der Reaktion des Gehirns auf entzündliche Prozesse im Körper zugeschrieben. Die Kombination aus Narkosemitteln, Schmerzbotenstoffen, Entzündungsmediatoren und Stresshormonen führt zu Veränderungen der Kommunikation der Nervenzellen untereinander und zur Schädigung von Nervenzellen im zentralen Nervensystem. Dabei scheint das Gehirn von älteren Menschen anfälliger zu sein als das von jungen.
Sicher ist, dass das Gehirn nicht allein durch die Narkose belastet wird. Auch der Eingriff selbst spielt eine Rolle, denn eine Operation provoziert das Immunsystem und führt zu Entzündungsreaktionen. Auch ein Aufenthalt auf der Intensivstation oder eine schwere Erkrankung ohne OP können zum Delir führen. Oft scheinen es vor allem sedierende Medikamente zu sein, die das Gehirn belasten:
• Beruhigungsmittel, die Ängste nehmen und den Schlaf anstoßen sollen
• Medikamente, die in das Bewusstsein eingreifen und den Antrieb dämpfen
Es muss darum gehen, Risikofaktoren zeitgerecht zu erkennen! - Nur selten wird ein Delir durch einen Faktor allein verursacht. Risikofaktoren sind:
• vorbestehende kognitive Defizite
• männliches Geschlecht
• Vorerkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck
• Flüssigkeitsdefizite
• Eingriffe mit Herz-Lungen-Maschine
Ein besonders hohes Risiko für das Auftreten eines Delirs besteht nach großen Operationen mit langer Narkose, zum Beispiel am Herzen oder bei Oberschenkelhalsbrüchen. Bis zu 80% der betroffenen Patienten, die auf einer Intensivstation liegen und beatmet werden, leiden an einem Delir. Bei nicht beatmeten Patienten sind es bis zu 45%.

Das Deutsche Ärzteblatt berichtete dazu bereits am 07.06.2015 wie folgt:
"Etwa ein Drittel aller Intensivpatienten entwickelt ein Delirium, das nach einer Meta-Analyse im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2015; 350: h2538) das Risiko auf längere Liegezeiten oder einen Tod im Krankenhaus erhöht. Viele überlebende Patienten leiden noch Jahre nach der Entlassung unter kognitiven Folgeschäden.
Ein Delirium mit Störungen des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit oder Änderungen der Wahrnehmung (Gedächtnis, Orientierung, Sprache, Auffassung) ist eine häufige Beobachtung bei Intensivpatienten. Früher wurde es auch als Durchgangssyndrom bezeichnet in der Hoffnung, dass die meisten Patienten sich früher oder später von der Störung ihrer Hirn-funktion erholen.
In Wirklichkeit ist ein Delirium ein prognostisch ungünstiges Zeichen. Nicht selten zeigt es an, dass der Patient die Station nicht lebend verlas-sen oder mit langfristigen kognitiven Einschränkungen entlassen wird. Nach den jetzt von Robert Stevens von der Johns Hopkins University School of Medicine vorgelegten Zahlen, die auf 16.595 Patienten aus 42 Studien beruhen, kommt es bei 32 Prozent aller Intensivpatienten zu ei-nem Delirium. …."
… (weiter lesen unter https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/ ... erberisiko )

Um ein Delir frühzeitig zu erkennen, kann der geistige Zustand schon kurz nach dem Erwachen aus einer Narkose getestet werden. Dazu überprüft geschultes Pflegepersonal das Orientierungsvermögen mit einfachen Fragen zu Zeit, Ort und Person.
Die Behandlung eines Delirs muss als schwierig eingestuft werden. Medikamente können es noch verstärken. Helfen kann das Pflegeteam:
• Reorientierung: Immer wieder den Ort deutlich benennen. Dinge wie Brille, Hörgerät und Gebiss sofort nach der Operation zurückgeben.
• Mobilisation: Kreislauf und Muskeln nach einer Operation stärken.
• Angehörige einbeziehen: Die persönliche Ansprache hilft, die Verbindung zur Realität wiederherzustellen. Familienfotos, Kalender und eine Uhr am Bett sind oft hilfreich.
• Gehirn aktivieren: Zum Beispiel kann Gedächtnistraining bei der Erholung helfen.
Mit einfachen Maßnahmen lässt sich das Risiko für das Auftreten eines Delirs senken:
• Bei geplanten Eingriffen vorher für den bestmöglichen Gesundheitszustand sorgen: Sind bestehende Erkrankun-gen wie Diabetes oder Bluthochdruck ausreichend behan-delt? Wie gut sind Ernährungszustand und Flüssigkeits-haushalt? Gibt es chronische Entzündungsherde, zum Beispiel an den Zähnen, die vorher behoben werden können? Physiotherapie und Atemtraining vor dem Eingriff können die Gebrechlichkeit vermindern damit das Delir-Risiko senken.
• Bis zu zwei Stunden vor der OP und danach schluckweise trinken, zum Beispiel Wasser, klare Fruchtsäfte, Kaffee und Tee
• Frühzeitig nach der Operation wieder bewegen
• Schlaf-Wach-Rhythmus erhalten
• Sedierende Medikamente meiden
Vor allem bei älteren Patienten kann es hilfreich sein, ihre geistige Leistungsfähigkeit bereits vor der Operation zu überprüfen und die Wahl des Operations- und Narkosever-fahrens vom Ergebnis abhängig zu machen. So kann zum Beispiel bei einer Teilnarkose auf den Einsatz sedierender Me-dikamente verzichtet werden, indem geschultes Pflegepersonal während des Eingriffs zur Seite steht, um Angst und Stress zu nehmen.
Quelle: https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/ ... ir108.html

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Einige weiterführende Informationen:
* Pressemitteilung der Universität Bonn vom 26.03.2019:
• Titel "Verwirrtheit nach einer OP im Alter vorbeugen" - > https://idw-online.de/de/news712840 .
* Einige Videos zum Thema:
• "Delir - Verwirrung nach einer Operation" (07:50 Min.) - > https://www.youtube.com/watch?v=C9aBdTeBeIk
• "Delir-Netzwerk" > Infofilm 5 Min. - > https://www.delir-netzwerk.de/
https://www.youtube.com/watch?v=Cf16xGogdD4
https://www.youtube.com/watch?v=BmH3lS8r-JQ
* Broschüren informieren, z.B.:
• Der alte Mensch im OP. Praktische Anregungen zur besseren Versorgung und Verhinderung eines perioperativen Altersdelirs (Broschüre 2012 - Modell St. Franzikus-Krankenhaus Münster) - > https://www.dkgev.de/fileadmin/default/ ... _im_OP.pdf
• Delir auf der Intensivstation Eine Informationsbroschüre für Angehö-rige (Broschüre 2017 - 13 Seiten) - > https://www.bg-kliniken.de/fileadmin//0 ... tation.pdf
* Zusätzlich informiert eine umfängliche Leitlinie:
• S3-Leitlinie Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der In-tensivmedizin (DAS-Leitlinie 2020) > https://register.awmf.org/assets/guidel ... 021-08.pdf
* Delir: Symptome, Ursachen, Behandlung - Informationen Deutsche Hirnstiftung …
https://hirnstiftung.org/alle-erkrankun ... 20beachten
* PowerPoint - Präsentation - Helios 2019
https://www.helios-gesundheit.de/filead ... Demenz.pdf

Perioperative Altersmedizin
Wir begleiten ältere Menschen, die sich im St. Franziskus-Hospital Münster operieren lassen.
Heute ist es durch große Fortschritte in den Operations- und Narkosever-fahren sowie ggf. der anschließenden intensivmedizinischen Behandlung möglich, auch hochaltrige Patientinnen und Patienten sehr gut anästhesio-logisch zu betreuen, Schmerzen zu nehmen und die Narkose sicher zu ge-stalten.
Mit dem Alter kommt es zu Veränderungen vieler Organfunktionen im Körper. Dies führt dazu, dass bei einem operativen Eingriff neben der ge-planten Versorgung eines konkreten Befundes auch Begleiterkrankungen anderer Organe berücksichtigt werden müssen. Besonders ältere Menschen haben ein erhöhtes Risiko, während des Krankenhausaufenthaltes einen akuten Verwirrtheitszustand (ein sogenanntes „Delir“) zu entwickeln. Dies kann Komplikationen (wie z.B. einen Sturz) zur Folge haben, die sich dann u.U. nachteilig auf ihre Lebenssituation auswirken. Unser Ziel ist es, älteren Patienten ein auf sie individuell abgestimmtes Behandlungskonzept anzubieten und damit das Risiko für das Erleiden eines Delirs zu minimieren.
Speziell geschulte examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerinnen- bzw. Altenpflegerinnen begleiten ältere Patienten vor, während und in den ersten Tagen nach der Operation.
Ergänzend zu diesem speziellen und seit über 20 Jahren am St. Franziskus- Hospital erfolgreichen Konzept, empfehlen wir Patienten, die sich ei-ner geplanten Operation unterziehen, sich bereits im Vorfeld gut auf diese vorzubereiten.
Als ein Baustein dieser Vorbereitung möchten wir die Patienten darin be-stärken, zuhause selbständig ein leichtes körperliches Training durchzu-führen. Für eine bessere Mobilität nach der Operation ist es hilfreich, die Muskulatur so zu kräftigen, dass sie den chirurgischen Eingriff gut kom-pensieren kann und dabei hilft, schneller aus dem Bett aufstehen und nach Hause entlassen werden zu können. Darüber hinaus fördert regelmäßige Bewegung die Koordination, stärkt das Immunsystem und verbessert Atmung- und Kreislauffunktionen, sodass in der Folge nicht nur der Heilungsprozess begünstigt, sondern zusätzlich auch der Entstehung eines Delirs vorgebeugt werden kann.

Quelle: https://www.sfh-muenster.de/unsere-komp ... rsmedizin/

Zusammenstellung Werner Schell

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Informationsveranstaltung am 23.01.2024 "Demenz- und Delir-Management im Krankenhaus – Herausforderungen und Chancen"

Beitrag von WernerSchell » 08.01.2024, 09:26

Nationale Demenzstrategie


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Informationsveranstaltung am 23.01.2024 "Demenz- und Delir-Management im Krankenhaus – Herausforderungen und Chancen"

Demenzen und Delirien werden bei älteren Patient:innen im Krankenhaus oft erst spät erkannt. Dies kann teils schwerwiegende Komplikationen im kurz- und mittelfristigen weiteren Behandlungsverlauf nach sich ziehen und darüber hinaus zusätzliche Belastungen bei knappen Personalressourcen zur Folge haben.

Im Rahmen der Nationalen Demenzstrategie legen fünf medizinische Fachgesellschaften ein Empfehlungspapier für Krankenhäuser vor. Darin werden Strategien zur Verbesserung der Früherkennung von Demenzen und Delirien und zur Senkung assoziierter Komplikationsraten vorgestellt. Dabei wurde besonders darauf geachtet, sparsam mit knappen personellen Ressourcen im Krankenhaus umzugehen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft war in die Entwicklung einbezogen und unterstützt die Empfehlungen.

Mit dem Ziel, Entscheidungsträger im Krankenhaus über diese Strategien zu informieren, findet am 23. Januar 2024 von 14:00 bis 15:00 Uhr eine kostenlose Online-Informationsveranstaltung (live) statt.

Eine CME-Anerkennung bei der Ärztekammer Berlin wird beantragt.

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!

Vorläufiges Programm

1. Das Problem: Demenz und Delir als häufige behandlungsrelevante Nebendiagnosen
2. Screening von kognitiven Störungen und Delir: Warum, bei wem und wie?
3. Konsequenzen für Prävention und Behandlung
4. Nutzen und Aufwand aus Anwendersicht
5. Diskussion

Referent:innen:

- Prof. Dr. med. Walter Hewer
Christophsbad Göppingen
- Dr. med. Katharina Geschke
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
- Prof. Dr. med. Christine von Arnim
Klinik für Geriatrie, Universitätsmedizin Göttingen
- Dr. med. Jana Karin Köbcke
Fachbereich Geriatrie & Rehabilitation, Bonifatius Hospital Lingen

Mit dabei sind Vertreter der Fachgesellschaften:

- Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN)
- Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie e. V. (DGGPP)
. Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e. V. (DGG)
- Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie e. V. (DGGG)
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie e. V. (DGN)

Quelle und weitere Informationen > https://www.nationale-demenzstrategie.d ... rankenhaus

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Demenz und Delir: Screening für alle Krankenhauspatienten ab 65 empfohlen

Beitrag von WernerSchell » 24.01.2024, 09:27

Deutsches Ärzteblatt vom 23.01.2024:

Demenz und Delir: Screening für alle Krankenhauspatienten ab 65 empfohlen

Delir bei älteren Menschen.PNG
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Berlin – Ab einem Alter von 65 Jahren sollten Patienten bei einem Krankenhausaufenthalt auf eine kognitive Störung gescreent werden. So lauten die Empfehlungen fünf medizinischer Fachgesellschaften, darunter die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Ziel ist die Prävention eines Delirs.
Menschen mit einer Demenz haben ein erhöhtes Risiko für ein Delir. Ab einem Alter von 65 Jahren hat jeder fünfte Krankenhauspatient eine Demenz – 30 Prozent entwickeln ein Delir, so die Angaben der DGPPN.
… (weiter lesen unter) … > https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/ ... 7ac2e8834e

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Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden, es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun

Beitrag von WernerSchell » 06.02.2024, 13:21

"Es ist nicht genug zu wissen,
man muss auch anwenden,
es ist nicht genug zu wollen,
man muss auch tun."
Johann Wolfgang von Goethe


Tunspruch Goethe 2024.PNG
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Delir-Prävention

Beitrag von WernerSchell » 11.04.2024, 15:17

Delir-Prävention

Ein Delir stellt ein Risiko für die körperliche und psychische Gesundheit dar. Ältere pflegebedürftige Menschen sind delir-gefährdet. Bei ihnen kommen oftmals mehrere Risikofaktoren zusammen. Die Symptome eines Delirs sind vielgestaltig und teilweise auch unauffällig. Dadurch wird es mitunter nicht erkannt und nicht richtig behandelt. Prävention, Diagnostik und Management von Delir sind daher hochrelevant.

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Was ist ein Delir?
Ein Delir ist eine akute organische Störung im Gehirn. Diese führt zu Verwirrtheit und einer gestörten Wahrnehmung. In der Regel bildet sich ein Delir nach Stunden, Tagen oder Wochen vollständig zurück.

Symptome
Typisch für ein Delir sind ein plötzlicher Beginn und ein schwankender Verlauf. Weitere Delir-Symptome sind vielgestaltig. Charakteristisch sind gleichzeitig bestehende Störungen des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung, des Denkens, des Gedächtnisses, der Psychomotorik, der Emotionalität und des Schlaf-Wach-Rhythmus. Einige Symptome können einer Depression ähneln, andere den Eindruck einer Demenz erwecken.

Beispiele für Delir-Symptome

Konzentrationsmangel, Gedächtnisprobleme, Verständnisschwierigkeiten
zusammenhanglose, wirre Äußerungen
Benommenheit, Schläfrigkeit
Verwirrtheit, Desorientierung (in Bezug auf Zeit, Ort, Situation, Person)
Halluzinationen, Sinnestäuschungen, Bedrohungswahn
Unruhe, Nesteln, Ungeduld
gestörter Schlaf, umgekehrter Tag-Nacht-Rhythmus, Alpträume
Angst, Aggression, Reizbarkeit, Depressivität
Die Symptome müssen nicht gemeinsam auftreten. Sie können sich abwechseln und über den Tag stark schwanken, teilweise mit Verstärkung zum Abend hin. Auch Dauer und Schwere eines Delirs können individuell sehr unterschiedlich sein.

Es wird unterschieden zwischen dem hyperaktiven und dem hypoaktiven Delir. Hyperaktivität zeigt sich zum Beispiel durch Unruhe, Ungeduld, Nesteln sowie ziellose gesteigerte Aktivität. Bei einem hypoaktiven Delir sind die Reaktionen eher verzögert und die Sprache verlangsamt. Betroffene wirken benommen, antriebsarm oder teilnahmslos. Möglich ist auch eine Mischform von hyperaktivem und hypoaktivem Delir. Da die Symptome weniger auffällig sind, wird das hypoaktive Delir eher übersehen.

Wie ist der Forschungsstand?
Zu Delir liegen eine Reihe von internationalen und nationalen Forschungsarbeiten vor. Diese betreffen etwa Risikofaktoren und Auftreten, die Prävention und die Behandlung von Delir beziehungsweise die Wirksamkeit von Maßnahmen. Dabei fokussiert die Delir-Forschung vornehmlich das Setting Krankenhaus. Das außerklinische Setting ist diesbezüglich bisher wenig untersucht.

Häufigkeit
Genaue Zahlen zum Auftreten von Delir gibt es nicht. Denn die Studienergebnisse variieren teilweise stark je nach Screening-Methode, untersuchter Gruppe und Institution. Hinzu kommt, dass ein Delir mit erheblichen Schwankungen der Symptomausprägung einhergehen kann. Hierdurch kann es zu Fehleinschätzungen, vor allem Unterschätzungen, kommen. Dennoch ist klar: Delir kommt häufig vor. Zwischen 11 und 25 Prozent der Patienten und Patientinnen über 65 Jahre weisen bei Krankenhausaufnahme ein Delir auf. Bei weiteren rund 30 Prozent tritt es während des Krankenhausaufenthaltes auf. Für Intensivstationen werden aus der Forschung entsprechende Erkrankungsraten zwischen 15 und 90 Prozent beschrieben. In stationären Altenpflegeeinrichtungen liegt in Deutschland bei schätzungsweise 40 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner ein akutes Delir vor.

Mehr zum Thema
Forschungsprojekt TRADE (TRAnsport und DElir bei älteren Menschen) zu Prävention und Management von Delir im Krankenhaus bei Entlassung und Verlegung > https://www.zqp.de/wp-content/uploads/Z ... _Delir.pdf
Einen Überblick über wissenschaftlich begleitete Projekte und Studien zur Delir-Prävention in Deutschland bietet die ZQP-Forschungsdatenbank > https://forschungsdatenbank.zqp.de/

Was sind Auslöser und Risikofaktoren?
Auslöser für ein Delir sind unter anderem Operationen, intensivmedizinische Behandlungen, Infektionen, Schmerzen und Flüssigkeitsmangel. Auch plötzliche Veränderungen können ein Delir auslösen, zum Beispiel der Verlust der Mobilität – auch im Zusammenhang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM), etwa in Form von Fixierungen. Gleiches gilt für eine fremde Umgebung und einen Ortswechsel, Reizüberflutung und die Störung des Tag-Nacht-Rhythmus. Meist wirken mehrere auslösende Faktoren zusammen.

Ältere Menschen, insbesondere ab 80 Jahren, haben ein erhöhtes Risiko, ein Delir zu entwickeln, denn im höheren Lebensalter kommen meist mehrere vorbestehende Faktoren zusammen. Dazu gehören unter anderem Demenz, Gebrechlichkeit, Beeinträchtigungen von Hören oder Sehen, Schlafstörungen, chronische Schmerzen, Mehrfacherkrankung, Multimedikation, stark eingeschränkte Beweglichkeit und Mangelernährung. Als Risikofaktoren gelten auch einige Lebensumstände, etwa Isolation, Einsamkeit oder das Leben in einer Pflegeeinrichtung.

Was sind Folgen eines Delirs?
Ein Delir stellt ein hohes Gesundheitsrisiko dar. Es kann zu Komplikationen wie Infektionen, Dekubitus
Ein Dekubitus ist eine Schädigung von Haut und Gewebe durch langanhaltenden Druck auf eine Körperstelle (Druckgeschwür).
und Stürzen kommen, den Krankenhausaufenthalt verlängern und mitunter auch zum Tod führen.

Die Lebensqualität der Betroffenen kann nicht nur während, sondern auch nach einem Delir stark beeinträchtigt sein. So kann es zu bleibenden körperlichen und geistigen Einschränkungen oder einem schnelleren Fortschreiten einer Demenz kommen. Außerdem können negative Erinnerungen nach einem Delir belasten, zum Beispiel an Gefühle wie Angst, Kontrollverlust und Hilflosigkeit sowie Halluzinationen und Wahnvorstellungen.

Auch für Angehörige kann es sehr schwierig sein, damit umzugehen. Daneben stellen die relativ aufwendige Betreuung und Behandlung von Menschen mit Delir das Personal in Gesundheitseinrichtungen vor besondere Herausforderungen.

Wie kann ein Delir verhindert oder gelindert werden?
Durch gezielte ineinandergreifende Maßnahmen können das Delir-Risiko erheblich gesenkt und ein bereits bestehendes Delir teilweise gelindert werden.

Kompetenzstärkung bei Gesundheitspersonal
Routinescreenings
Ärztliche Diagnostik
Multiprofessioneller und multimodaler Ansatz
Einbindung von Angehörigen
Tipps für pflegende Angehörige

Delir bei älteren pflegebedürftigen Menschen vorbeugen und lindern
Ein Delir ist eine akute organische Störung im Gehirn. Diese kann sich unter anderem auf die Wahrnehmung, die Orientierung, das Denken, das Gedächtnis und die Stimmung auswirken.

Ein Delir ist keine Demenz: Eine Demenz schreitet langsam und dauerhaft fort. Typisch für ein Delir sind ein plötzlicher Beginn und ein schwankender Verlauf. Ein Delir kann nach Stunden, Tagen oder Wochen wieder vollständig abklingen. Aber es kann auch erhebliche gesundheitliche Folgen haben, zum Beispiel: eine Infektion, ein Sturz, ein Druckgeschwür, oder anhaltende geistige Beeinträchtigungen. Aufgrund eines Delirs können ein längerer Krankenhausaufenthalt erforderlich sein und der Pflegebedarf steigen. Zudem ist ein Delir psychisch sehr belastend. Viele erinnern sich nach einem Delir an Angst, Scham und Hilflosigkeit.

Mit diesen Tipps können Sie helfen, ein Delir zu verhindern oder zu lindern. Wichtig dabei ist: Vertrautheit, Orientierung und damit Sicherheit vermitteln. Dies trägt auch dazu bei, mit der Situation umzugehen und diese im Nachhinein besser zu verarbeiten. Die passende Unterstützung hilft zudem, die geistigen und körperlichen Funktionen zu fördern und weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorzubeugen. Die medizinische Behandlung eines Delirs richtet sich nach den individuellen Auslösern und Symptomen.

Ortswechsel begleiten
Vertrautheit schaffen
Informationen weitergeben
Orientierung fördern
Kommunikation anpassen
Alltag gestalten
Bewegung fördern
Essen und Trinken anregen
Fachlichen Rat einholen
Die Tipps basieren auf dem 8-Punkte-Programm zur Unterstützung von Angehörigen und anderen Bezugspersonen bei der Vorbeugung und Linderung eines Delirs. Dies wurde im Forschungsprojekt TRADE (TRAnsport und DElir bei älteren Menschen) entwickelt. TRADE wurde 2019 bis 2023 aus dem Innovationsfonds gefördert.

Material zum Thema
Der Kurzratgeber Vorbeugung von Delir bei älteren Menschen bietet Informationen über Anzeichen, Auslöser und Folgen eines Delirs sowie Tipps zur Vorbeugung und Linderung.

Titelseite der Broschüre „Vorbeugung von Delir bei älteren Menschen“
Einblick
Vorbeugung von Delir bei älteren Menschen
PDF herunterladen Kostenfrei bestellen > https://www.zqp.de/wp-content/uploads/Z ... _Delir.pdf

Hinweise für die professionelle Pflege

Wissensressourcen zu Prävention und Management von Delir
Eine fachliche Richtschnur und Handlungshilfe bieten Leitlinien und Standards. Die frei zugängliche ZQP-Übersicht zu pflegerelevanten Leitlinien, Standards und HTA-Berichten ermöglicht unter anderem die Recherche zum Thema Delir. > https://lls.zqp.de/

Das ZQP erarbeitet derzeit Arbeits- und Schulungsmaterial zur Delir-Prävention für die professionelle Pflege. Dies wird ab Mitte 2024 über die ZQP-Webseite frei zugänglich sein.

Weitere Informationen für die Pflegepraxis

Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN): Empfehlungen für das Delir- und Demenz-Screening sowie Delir-Management und eine Übersicht über Screening-Instrumente > https://www.dgppn.de/_Resources/Persist ... umente.pdf
Basler Demenz-Delir-Programm: Materialien zum Thema Delir, unter anderem Delir-Erfassungsskalen, Checklisten, Angehörigenbroschüren, sowie ein Online-Kurs > https://delir.info/
Delir-Netzwerk: Darstellung ausgewählter Leuchtturmprojekte > https://www.delir-netzwerk.de/Erfasste- ... mprojekte/
International Federation of Delirium Societies (iDelirium): Infografiken und Materialien zu Delir sowie Informationen zur Kampagne World Delirium Awareness Day (WDAD) > https://www.deliriumday.com/links-to-info-on-delirium
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH): Sammlung mit 33 One-Minute-Wonder zum Delir > https://www.uksh.de/uksh_media/Dateien_ ... +Delir.pdf

Quelle und weitere Informationen > https://www.zqp.de/thema/delir/

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