Corona: Auch eine Anfrage an Kirche! - Beitrag von Heinz Sahnen
Verfasst: 18.07.2020, 15:25
Corona: Auch eine Anfrage an Kirche!

Heinz Sahnen
Die Corona-Pandemie hat seit Mitte März 2020 unser gesellschaftliches Zusammenleben tief ergriffen und radikal verändert. Auch das kirchliche Leben mit Gottesdiensten und Aktivitäten in den einzelnen Pfarrgemeinden war und ist weiterhin von den Auswirkungen betroffen. Zwar sind seit Ostern in sehr eingeschränktem Maße und bei Beachtung von Auflagen Gottesdienste wieder möglich, aber vom gewohnten Alltag ist man noch weit entfernt. Der Weg in die Normalität ist schwierig, denn der Corona-Virus ist noch vorhanden. Die Gefahr der Ansteckung ist nach wie vor groß. Die im öffentlichen und auch im kirchlichen Leben „eingeübten“ Verhaltensweisen und die Beachtung von Hygiene-Verordnungen gelten weiterhin. Und noch ist kein Impfstoff gefunden. Deshalb ist Verantwortung für sich selbst und für die Mitmenschen auch ein besonders christlich begründeter Anspruch. Deshalb ist in unseren Gemeinden solidarisches Handeln gefordert.
Es ist ein gutes Zeichen, dass die Kirchen die notwendigen Maßnahmen, die zur Eindämmung des Corona-Virus ergriffen wurden, solidarisch mittragen und in diesem Zusammenhang auch einen wichtigen caritativen Dienst leisten. Es geht um die Zukunft des Zusammenlebens, um die Stabilität unserer pluralen Gesellschaft.
Mit Blick auf den zentralen Punkt im kirchlichen Leben, der Feier eines Sonntags-Gottesdienstes, weist Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken in der FAZ an, dass aufgrund des Verbotes von öffentlichen Gottesdiensten in der Zeit von Mitte März bis Mitte April manch ein traditioneller Gottesdienstbesucher gemerkt hat, dass man auch ohne eine Messfeier einen schönen Sonntag erleben kann.
Dennoch: Viele Gläubige haben einen Ersatz gesucht und haben einen Gottesdienst vor dem Fernsehgerät, in Videoschaltungen oder sogar mit der Familie als „Hausgottesdienst“ mitgefeiert. In einigen Städten, u.a. in Düsseldorf wurden „Auto-Gottesdienste“ ermöglicht. Von beiden christlichen Kirchen wurden und werden weiterhin sehr ansprechend gestaltete Gottesdienste übertragen. Natürlich ist das Mitfeiern der Liturgie in der Kirche ein zentraler Punkt im kirchlichen Leben der Katholiken.
Die fast täglichen Sondersendungen und unzählige Talkshows zur Corona-Krise wurden natürlich von medizinischen Experten und dann auch von politischen Entscheidern bestimmt. Wo aber blieb die Stimme eines Seelsorgers, der die seelische Not vieler Menschen ansprach? In den ersten Wochen der Pandemie – bis ca. Ostern – kam Kirche und Seelsorge überhaupt nicht vor. War dies nur ein organisatorisches Versehen? Der Stellenwert von Kirche hat spürbar gelitten. Die Wertschätzung für eine seelsorgerische Antwort auf die CoronaPandemie hat in der Politik, aber besonders auffallend in den Medien nachgelassen.
Diese Feststellung ist nicht neu, aber in der Zeit der Coronakrise wurde das Defizit auffallend. Julia Knop, Professorin für Dogmatik in Erfurt formuliert treffend: „Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas. Bestehende Probleme werden deutlicher, angestaute Konflikte schärfer, laufende Entwicklungen schneller. Es kommen Klärungsprozesse in Gang, die nicht umkehrbar sind. Wie wollen wir leben? Was ist uns wichtig? Und in der Kirche: Wie können wir glauben? Wie wollen wir beten? Wie gestalten wir Kirche? Was sollen wir verändern? Was fördert, was behindert ein vitales Christentum?“
Aber völlig unabhängig von Corona ist seit Jahren zu beobachten, dass die Zahl der Gottesdienstbesucher deutlich abnimmt. Die Frage nach Gott und Religion hat eine schwindende Bedeutung. Auch die jüngsten Zahlen zur Kirchenstatistik mit einem deutlichen Anstieg von Kirchenaustritten sind hierfür ein Beleg und zugleich eine große Herausforderung für die christlichen Kirchen. Ein nostalgische Rückkehr zur „guten alten Zeit“ wird keine Lösung bringen.
Verfolgt man die teilweise streitigen Diskussionen um den zukünftigen Weg der Kirche unter den deutschen Bischöfen einerseits und einigen sehr konservativen Bischöfen mit den Laien andererseits, dann ist zunächst ein gemeinsamer Weg zu definieren. Hierzu gehört u.a. eine Klärung von Positionen, z.B. zu Missbrauchsvorgängen, zur Sexualmoral, zur Mitverantwortung von Laien und natürlich zur Rolle der Frau in der Kirche. Aus meiner Sicht ist ein gemeinsamer Weg eine Voraussetzung für die Zukunft der Kirche.
In diesem Zusammenhang will ich nicht verschweigen, dass mir der Kurs der Verantwortlichen im Bistum Köln keinen Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft vermittelt. Die Auffassungen von Kardinal Woelki zum gemeinsam von Bischöfen und Laien entwickelten Reformvorhaben „Synodaler Weg“ und auch die „weltfremde“ Position zur Sexuallehre der Kirche von Weihbischof Schwaderlapp sind nicht der Weg in eine bessere Zukunft.
Wie finden wir gemeinsam den Weg zu einer Normalität im kirchlichen Leben in einer Nach-Corona-Zeit? Hier sind wir vor allem auch in den Pfarrgemeinden gefordert, denn wir sind nah beim Menschen. Ein neuer Aufbruch muss organisiert werden. Die Aufarbeitung von Schwachstellen und entsprechende Veränderungen sollten ein erster Schritt sein.
Müssen wir Christen hier im Stadtteil und im Seelsorgebereich nicht spürbarer unsere Haltung zeigen? Wie sieht es aus mit der Kommunikation und zwar von inhaltlichen und organisatorischen Fragen? Die Sprache von Theologen ist oft nicht sehr einfach. Der Newsletter der evangelischen Kreuzkirche in Gnadental könnte für die katholischen Gemeinden ein Muster (oder sogar eine ökumenische Plattform) sein.
Ohnehin bin ich der Auffassung, dass nur ein ökumenisches Miteinander das Fundament der christlichen Kirchen trägt. Die durch Corona auf den Weg gebrachten Zeichen sollten genutzt werden. Ein ökumenischer Gottesdienst bei Schützenfesten ist ein ausdrucksstarkes Symbol. Ist es nicht egal, ob die hilfsbedürftige Familie eine Tüte mit Lebensmitteln von einem Gabentisch der evangelischen oder katholischen Gemeinde erhält? Schmeckt der Kaffee bei den Seniorennachmittagen von den ehrenamtlichen Helferinnen der einen Kirche anders als von der anderen Gemeinde? Ich denke: Gemeinsam und solidarisch sind wir stark. In Fürbitten beten wir für die Einheit der Christen. Aber die Taten müssen von Menschen erbracht werden.
Deshalb ist zu hoffen, dass der ökumenische Kirchentag im kommenden Jahr in Frankfurt, auch in Auswertung der Erfahrungen mit der Corona-Pandemie, Wege zum gemeinsamen Handeln entwickelt. Vor dem Hintergrund, dass es in Deutschland immer mehr „Mischehen“ gibt, die Zahlen der Christen, wie die jüngste Statistik gezeigt hat, dramatisch sinkt und letztlich, weil auch die Finanzen der Kirchen in den kommenden Jahren einen deutlichen Einbruch erfahren, ist der Weg zu mehr Ökumene alternativlos.
Quelle: Pfarrbrief der Pfarreiengemeinschaft "Neuss - Rund um die Erftmündung" - Sommer 2020
Heinz Sahnen
Die Corona-Pandemie hat seit Mitte März 2020 unser gesellschaftliches Zusammenleben tief ergriffen und radikal verändert. Auch das kirchliche Leben mit Gottesdiensten und Aktivitäten in den einzelnen Pfarrgemeinden war und ist weiterhin von den Auswirkungen betroffen. Zwar sind seit Ostern in sehr eingeschränktem Maße und bei Beachtung von Auflagen Gottesdienste wieder möglich, aber vom gewohnten Alltag ist man noch weit entfernt. Der Weg in die Normalität ist schwierig, denn der Corona-Virus ist noch vorhanden. Die Gefahr der Ansteckung ist nach wie vor groß. Die im öffentlichen und auch im kirchlichen Leben „eingeübten“ Verhaltensweisen und die Beachtung von Hygiene-Verordnungen gelten weiterhin. Und noch ist kein Impfstoff gefunden. Deshalb ist Verantwortung für sich selbst und für die Mitmenschen auch ein besonders christlich begründeter Anspruch. Deshalb ist in unseren Gemeinden solidarisches Handeln gefordert.
Es ist ein gutes Zeichen, dass die Kirchen die notwendigen Maßnahmen, die zur Eindämmung des Corona-Virus ergriffen wurden, solidarisch mittragen und in diesem Zusammenhang auch einen wichtigen caritativen Dienst leisten. Es geht um die Zukunft des Zusammenlebens, um die Stabilität unserer pluralen Gesellschaft.
Mit Blick auf den zentralen Punkt im kirchlichen Leben, der Feier eines Sonntags-Gottesdienstes, weist Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken in der FAZ an, dass aufgrund des Verbotes von öffentlichen Gottesdiensten in der Zeit von Mitte März bis Mitte April manch ein traditioneller Gottesdienstbesucher gemerkt hat, dass man auch ohne eine Messfeier einen schönen Sonntag erleben kann.
Dennoch: Viele Gläubige haben einen Ersatz gesucht und haben einen Gottesdienst vor dem Fernsehgerät, in Videoschaltungen oder sogar mit der Familie als „Hausgottesdienst“ mitgefeiert. In einigen Städten, u.a. in Düsseldorf wurden „Auto-Gottesdienste“ ermöglicht. Von beiden christlichen Kirchen wurden und werden weiterhin sehr ansprechend gestaltete Gottesdienste übertragen. Natürlich ist das Mitfeiern der Liturgie in der Kirche ein zentraler Punkt im kirchlichen Leben der Katholiken.
Die fast täglichen Sondersendungen und unzählige Talkshows zur Corona-Krise wurden natürlich von medizinischen Experten und dann auch von politischen Entscheidern bestimmt. Wo aber blieb die Stimme eines Seelsorgers, der die seelische Not vieler Menschen ansprach? In den ersten Wochen der Pandemie – bis ca. Ostern – kam Kirche und Seelsorge überhaupt nicht vor. War dies nur ein organisatorisches Versehen? Der Stellenwert von Kirche hat spürbar gelitten. Die Wertschätzung für eine seelsorgerische Antwort auf die CoronaPandemie hat in der Politik, aber besonders auffallend in den Medien nachgelassen.
Diese Feststellung ist nicht neu, aber in der Zeit der Coronakrise wurde das Defizit auffallend. Julia Knop, Professorin für Dogmatik in Erfurt formuliert treffend: „Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas. Bestehende Probleme werden deutlicher, angestaute Konflikte schärfer, laufende Entwicklungen schneller. Es kommen Klärungsprozesse in Gang, die nicht umkehrbar sind. Wie wollen wir leben? Was ist uns wichtig? Und in der Kirche: Wie können wir glauben? Wie wollen wir beten? Wie gestalten wir Kirche? Was sollen wir verändern? Was fördert, was behindert ein vitales Christentum?“
Aber völlig unabhängig von Corona ist seit Jahren zu beobachten, dass die Zahl der Gottesdienstbesucher deutlich abnimmt. Die Frage nach Gott und Religion hat eine schwindende Bedeutung. Auch die jüngsten Zahlen zur Kirchenstatistik mit einem deutlichen Anstieg von Kirchenaustritten sind hierfür ein Beleg und zugleich eine große Herausforderung für die christlichen Kirchen. Ein nostalgische Rückkehr zur „guten alten Zeit“ wird keine Lösung bringen.
Verfolgt man die teilweise streitigen Diskussionen um den zukünftigen Weg der Kirche unter den deutschen Bischöfen einerseits und einigen sehr konservativen Bischöfen mit den Laien andererseits, dann ist zunächst ein gemeinsamer Weg zu definieren. Hierzu gehört u.a. eine Klärung von Positionen, z.B. zu Missbrauchsvorgängen, zur Sexualmoral, zur Mitverantwortung von Laien und natürlich zur Rolle der Frau in der Kirche. Aus meiner Sicht ist ein gemeinsamer Weg eine Voraussetzung für die Zukunft der Kirche.
In diesem Zusammenhang will ich nicht verschweigen, dass mir der Kurs der Verantwortlichen im Bistum Köln keinen Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft vermittelt. Die Auffassungen von Kardinal Woelki zum gemeinsam von Bischöfen und Laien entwickelten Reformvorhaben „Synodaler Weg“ und auch die „weltfremde“ Position zur Sexuallehre der Kirche von Weihbischof Schwaderlapp sind nicht der Weg in eine bessere Zukunft.
Wie finden wir gemeinsam den Weg zu einer Normalität im kirchlichen Leben in einer Nach-Corona-Zeit? Hier sind wir vor allem auch in den Pfarrgemeinden gefordert, denn wir sind nah beim Menschen. Ein neuer Aufbruch muss organisiert werden. Die Aufarbeitung von Schwachstellen und entsprechende Veränderungen sollten ein erster Schritt sein.
Müssen wir Christen hier im Stadtteil und im Seelsorgebereich nicht spürbarer unsere Haltung zeigen? Wie sieht es aus mit der Kommunikation und zwar von inhaltlichen und organisatorischen Fragen? Die Sprache von Theologen ist oft nicht sehr einfach. Der Newsletter der evangelischen Kreuzkirche in Gnadental könnte für die katholischen Gemeinden ein Muster (oder sogar eine ökumenische Plattform) sein.
Ohnehin bin ich der Auffassung, dass nur ein ökumenisches Miteinander das Fundament der christlichen Kirchen trägt. Die durch Corona auf den Weg gebrachten Zeichen sollten genutzt werden. Ein ökumenischer Gottesdienst bei Schützenfesten ist ein ausdrucksstarkes Symbol. Ist es nicht egal, ob die hilfsbedürftige Familie eine Tüte mit Lebensmitteln von einem Gabentisch der evangelischen oder katholischen Gemeinde erhält? Schmeckt der Kaffee bei den Seniorennachmittagen von den ehrenamtlichen Helferinnen der einen Kirche anders als von der anderen Gemeinde? Ich denke: Gemeinsam und solidarisch sind wir stark. In Fürbitten beten wir für die Einheit der Christen. Aber die Taten müssen von Menschen erbracht werden.
Deshalb ist zu hoffen, dass der ökumenische Kirchentag im kommenden Jahr in Frankfurt, auch in Auswertung der Erfahrungen mit der Corona-Pandemie, Wege zum gemeinsamen Handeln entwickelt. Vor dem Hintergrund, dass es in Deutschland immer mehr „Mischehen“ gibt, die Zahlen der Christen, wie die jüngste Statistik gezeigt hat, dramatisch sinkt und letztlich, weil auch die Finanzen der Kirchen in den kommenden Jahren einen deutlichen Einbruch erfahren, ist der Weg zu mehr Ökumene alternativlos.
Quelle: Pfarrbrief der Pfarreiengemeinschaft "Neuss - Rund um die Erftmündung" - Sommer 2020