Angemessene Personalbemessungssysteme sind für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen zwingend geboten

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Lösung bei Bonuszahlungen für Pflegekräfte in Sicht

Beitrag von WernerSchell » 28.04.2020, 07:37

Deutsches Ärzteblatt vom 28.04.2020:
Lösung bei Bonuszahlungen für Pflegekräfte in Sicht
Berlin − Im Streit um die Finanzierung des geplanten Coronabonus für Pflegekräfte zeich­net sich eine Einigung ab. Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) und Bundes­ar­beitsminister Hubertus Heil (SPD) haben einen Vorschlag unterbreitet, der, wie es aus dem Ge­sund­heits­mi­nis­terium hieß, als Formulierungshilfe noch in den Corona-Gesetz­entwurf einfließen soll, der übermorgen im Kabinett beraten wird.
Die beiden Minister schlagen vor, dass die Pflegekassen zwei Drittel der Kosten finanzie­ren und die Länder und Arbeitgeber – je nach Entscheidung in eigener Finanzverantwort­ung – das weitere Drittel. Das geht aus einem gemeinsamen Brief beider Minister an Ar­beitnehmer und Arbeitgeber sowie Dienstgeber in der Altenpflege hervor. ... (weiter lesen unter) ... > https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/ ... 7ac2e8834e

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Hick-Hack-Diskussionen sind beschämend ....

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Sonderzahlungen müssen für ALLE Pflegekräfte gelten

Beitrag von WernerSchell » 30.04.2020, 08:37

Bild Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Interessenvertretung
für hilfe- und pflegebedürftige Menschen in Deutschland
Harffer Straße 59 - 41469 Neuss


Sonderzahlungen müssen für ALLE Pflegekräfte gelten

Die Bundesregierung hat für die Altenpflege eine Bonusregelung für die Altenpflegekräfte auf den Weg gebracht, 1.000 Euro Einmalzahlung (+ eine frewillige Zuzahlung durch Länder und Arbeitgeber bis zu 500 Euro). Bewertung dieser Regelung: klar mangelhaft! - Wenn überhaupt eine Bonuszahlung infrage kommen soll, muss sie einheitlich an ALLE Pflegekräfte (auch in der Krankenhauspflege) in Höhe von 1.500 Euro gezahlt werden. Vernünftiger wäre aber eine andere Regelung, von hier bereits im März angeregt: Zahlung einer Corona-Gefahrenzulage von 200 Euro/Monat an alle Personen, die nahe an kranken Menschen tätig sind, zunächst für 6 Monate. Danach müssen endlich Reformen umgesetzt werden, die die Arbeitsbedingungen in allen Pflegesystemen entscheidend und dauerhaft verbessern! - Werner Schell

Dazu nochmals der passende Interviewtext >

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und als pdf-Datei >
Interview Werner Schell NGZ 17042020.pdf
>>> http://www.wernerschell.de/forum/neu/do ... php?id=507

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Sonderprämie für Beschäftigte in der Altenpflege ... Wer zahlt (nicht)?

Beitrag von WernerSchell » 11.05.2020, 06:15

Nur nicht sich selbst bewegen und mit dem Finger auf andere zeigen: Die Sonderprämie für Beschäftigte in der Altenpflege und die Reise nach Jerusalem bei der Frage: Wer zahlt (nicht)?

Prof. Dr. Stefan Sell informiert am 27. April 2020:

Ach, die „Corona-Prämie“. Am Anfang stand die gute Absicht: Die Pflegekräfte in der Altenpflege sollten eine handfeste materielle Würdigung in Form einer Prämie bekommen. So entstand vor einigen Wochen die Idee, die besonderen Leistungen der Altenpflege mit einer „Corona-Sonderprämie“ von 1.500 Euro für die mehr als eine halbe Million Beschäftigten zu honorieren, wobei sich die Höhe des einmaligen Geldbetrags daran bemisst, dass der Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Regelung erlassen hat, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten in diesem Jahr Corona-Sonderprämien bis zu 1.500 Euro gewähren können, ohne dass darauf Steuern und Sozialbeiträge erhoben werden.
... (weiter lesen unter) .... > https://aktuelle-sozialpolitik.de/2020/ ... a-praemie/

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Pflegereform muss JETZT gestaltet werden ...

Beitrag von WernerSchell » 16.05.2020, 15:17

Hanni Hüsch kommentiert die Situation in der Pflege: "Wer jetzt also das hohe Lied von der Pflegeoffensive pfeift, der muss für die Musik auch zahlen" … Genau so ist es! - Gute Arbeitsbedingungen (auskömmliche Stellenschlüssel und höhere Vergütungen) werden seit Jahrzehnten eingefordert. Die notwendigen Reformen müssen JETZT gestaltet werden! Und das ist wirklich alternativlos!
>>> https://www.facebook.com/watch/?t=5&v=1401987476666006

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"Stern"-Petition zur Pflege ist unzureichend und kontraproduktiv - "Masterplan Pflege" ist überfällig

Beitrag von WernerSchell » 14.02.2021, 07:48

Die vielfach angesprochene "Stern"-Petition zur Pflege war und ist unzureichend und kontraproduktiv - Ein "Masterplan Pflege" ist überfällig! - Näheres unter > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... p?f=4&t=31

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Mindestens 300.000 zusätzliche Pflegekräfte durch Wiedereinstieg in Beruf oder aufgestockte Arbeitszeit möglich

Beitrag von WernerSchell » 03.05.2022, 17:06

Aus Forum > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... ?f=4&t=425


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„Ich pflege wieder, wenn…“
Neue Studie: Mindestens 300.000 zusätzliche Pflegekräfte durch Wiedereinstieg in Beruf oder aufgestockte Arbeitszeit möglich


Mindestens 300.000 Vollzeit-Pflegekräfte stünden in Deutschland durch Rückkehr in den Beruf oder Aufstockung der Arbeitszeit zusätzlich zur Verfügung – sofern sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege deutlich verbessern. Das ergibt die neue Studie „Ich pflege wieder, wenn…“*. Die Untersuchung macht auf Basis einer großen bundesweiten Befragung mehrere Modellrechnungen auf und rechnet das Potenzial für alle aufstockungswilligen Teilzeit-Pflegefachkräfte sowie erstmals auch für Beschäftigte in der Pflege hoch, die ihrem Beruf in den vergangenen Jahren den Rücken gekehrt haben und sich eine Rückkehr vorstellen können. So ergibt sich ein rechnerisches Potenzial von 300.000 Pflegekräften in Vollzeit bei sehr vorsichtiger Kalkulation, in einem optimistischen Szenario sogar von bis zu 660.000 Vollzeitkräften. Mehr als 80 Prozent dieses Potenzials beruht auf der Rückkehr „ausgestiegener“ Fachkräfte (detaillierte Zahlen am Ende dieses Textes und in der Tabelle in der pdf-Version dieser PM; Link unten). An der Online-Befragung haben im vergangenen Jahr rund 12.700 „ausgestiegene“ sowie in Teilzeit beschäftigte Pflegekräfte teilgenommen. Die Studie baut auf einer Bremer Pilotstudie auf und ist Ergebnis einer Kooperation der Arbeitnehmerkammer Bremen, der Arbeitskammer im Saarland und des Instituts Arbeit und Technik (IAT), Westfälische Hochschule in Gelsenkirchen. Die Hans-Böckler-Stiftung hat die Studie gefördert.
In der Pflege herrscht schon heute bundesweit ein eklatanter Fachkräftemangel. Dieser wird sich weiter zuspitzen – allein in den nächsten zehn bis zwölf Jahren gehen 500.000 Pflegefachkräfte in Rente. Es dauert aktuell 230 Tage, bis die Stelle einer Krankenpflegefachkraft besetzt werden kann, 210 Tage für die Stellenbesetzung einer Altenpflegefachkraft. „Es muss uns zeitnah gelingen, Pflegekräfte zu gewinnen. Das ist eine der größten sozialpolitischen Herausforderungen dieser Zeit“, mahnt Elke Heyduck, Geschäftsführerin der Arbeitnehmerkammer Bremen.

In der bundesweiten Befragung stand deshalb die Frage im Mittelpunkt, unter welchen Bedingungen bereits ausgebildete, aber „ausgestiegene“ Pflegekräfte in ihren Beruf zurückkehren beziehungsweise Teilzeit-Pflegekräfte ihre Arbeitszeit erhöhen würden. Und wie groß ist unter den richtigen Arbeitsbedingungen das Potenzial an Pflegekräften? Das erstaunliche Ergebnis: Die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten und sogar 60 Prozent der Ausgestiegenen können sich eine Rückkehr in den Beruf bzw. ein Aufstocken der Stunden vorstellen.

Mehr Personal und verlässliche Arbeitszeiten gewünscht

„Das ist eine sehr gute Nachricht für die Pflege – doch diese Fachkräfte kommen nicht von allein zurück“, betont Elke Heyduck. Und weiter: „Die Pflegebeschäftigten wissen sehr genau, was sich ändern muss, damit sie ihren verantwortungsvollen Beruf so ausüben können, wie es ihren fachlichen Vorstellungen und ihrer Ausbildung entspricht.“

Als stärkste Motivation nennen die Befragten eine Personaldecke, die sich tatsächlich am Bedarf der pflegebedürftigen Menschen ausrichtet. Außerdem wünschen sich Pflegekräfte eine bessere Bezahlung und verlässliche Arbeitszeiten. Mehr Zeit für menschliche Zuwendung zu haben, nicht unterbesetzt arbeiten zu müssen und verbindliche Dienstpläne sind für die Befragten weitere zentrale Bedingungen. Ebenso wünschen sie sich respektvolle Vorgesetzte, einen kollegialen Umgang mit allen Berufsgruppen, mehr Augenhöhe gegenüber den Ärztinnen und Ärzten, eine vereinfachte Dokumentation und eine bessere Vergütung von Fort- und Weiterbildungen.

Engagement auf dem Arbeitsmarkt und präferierte Arbeitsbereiche

In der Befragung konnten beide Gruppen auch ihre Arbeitszeitwünsche angeben. Dabei stellt sich heraus, dass Teilzeitkräfte ihre Arbeitszeit im Mittel (Median) um 10 Stunden pro Woche aufstocken würden und „ausgestiegene“ Pflegekräfte sich eine Rückkehr in den Pflegeberuf mit 30 Wochenstunden vorstellen können.

Darüber hinaus hat die Befragung ermittelt, wie aktiv die „ausgestiegenen“ Pflegekräfte mit Blick auf eine mögliche Rückkehr sind: „Bereits ein Drittel der potenziellen Rückkehrerinnen und Rückkehrer haben Stellenangebote angesehen, knapp sechs Prozent stehen im Kontakt mit einem Arbeitgeber. Die übrigen denken mindestens einmal im Monat darüber nach, in den Beruf zurückzukehren, sind bislang aber noch nicht aktiv geworden“, erläutert Michaela Evans, Direktorin des Forschungsschwerpunktes Arbeit & Wandel am IAT.

Und wo wollen die befragten Ausgestiegenen arbeiten? Im Vergleich der Arbeitsbereiche vor dem Ausstieg und den Bereichen, in die ein Wiedereinstieg in die Pflege angestrebt wird, zeigt sich zunächst Stabilität: Ausgestiegene geben überwiegend den ehemaligen Arbeitsbereich als gewünschten Bereich für einen Wiedereinstieg an. Dies gilt insbesondere für ehemals im Krankenhaus und in der Psychiatrie Beschäftigte. „Auffällig ist, dass ehemalige Beschäftigte aus den ambulanten Pflege- und Betreuungsdiensten ihren eigenen Bereich seltener als Wiedereinstiegsbereich angeben“, hat Michaela Evans beobachtet.

Was muss sich ändern in der Pflege?
Ohne Zweifel gibt es nicht das eine „Patentrezept“, denn bessere Arbeitsbedingungen erfordern mehr Pflegepersonal und andersherum. Entscheidend ist laut Studienverantwortlichen, die Negativspirale aus problematischen Arbeitsbedingungen und daraus folgendem Rückzug aus der Pflege entgegenzuwirken und stattdessen zur Stundenerhöhung und Rückkehr in den Beruf zu motivieren.

An erster Stelle steht die Einführung einer angemessenen, am tatsächlichen Pflegebedarf ausgerichteten Personalbemessung – für den Bereich der Krankenhäuser, für die stationäre und die ambulante Langzeitpflege. „Mit Sorge betrachten wir daher die Diskussion um die Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0), auf die Pflegekräfte in den Krankenhäusern seit Jahren drängen und die – trotz Koalitionsvertrag – womöglich nicht eingeführt werden soll. Die Regelung darf als sehr gute Übergangslösung nicht unter die Räder kommen. Das wäre in der jetzigen Situation das absolut falsche Signal“, betont Beatrice Zeiger, Geschäftsführerin der Arbeitskammer des Saarlandes. „In der stationären Langzeitpflege muss die ‚Personalbedarfsmessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen‘ (PeBeM) vollständig umgesetzt werden und es bedarf eines verbindlichen Zeitplanes dafür.“

Angemessene Bezahlung – Tarifbindung stärken
Die Geschäftsführerinnen der Arbeitskammer des Saarlandes und der Arbeitnehmerkammer Bremen betonen die zentrale Forderung vieler Befragter nach einer ausreichenden Bezahlung: „Pflegekräfte müssen endlich entsprechend den hohen Anforderungen, die der Beruf mit sich bringt, entlohnt werden – insbesondere in der Altenpflege“. Zudem müsse die Tarifbindung in der Pflege dringend gestärkt werden, um flächendeckend höhere Löhne zu erzielen. Dass Pflegeeinrichtungen zukünftig zur Versorgung nur noch zugelassen werden, wenn sie entweder nach Tarif oder zumindest nach dem regionalen Durchschnitt zahlen, sei eine gute, aber nur die zweitbeste Lösung, so Zeiger. Denn die sogenannte Durchschnittsanwendung – also die Orientierung an den regional üblichen Löhnen – sei nicht geeignet, den Beschäftigten verlässliche und arbeitsvertraglich formulierte Lohnstrukturen zu garantieren.
Eigenanteile begrenzen – Steuerzuschüsse nötig

Jede Verbesserung in der Pflege wirft Fragen nach der Finanzierung auf, schließt Elke Heyduck von der Arbeitnehmerkammer Bremen an. „Es kann nicht sein, dass die Eigenanteile der Pflegebedürftigen durch die Decke gehen, weil der Betrieb ausreichend Personal einstellt und die Pflegeversicherung diese Mehrkosten nicht abdeckt“, schildert Heyduck mögliche Folgen. Der Koalitionsvertrag sieht zunächst nur die Prüfung einer freiwilligen, paritätisch finanzierten Pflegevollversicherung vor. Mindestens dieser Prüfauftrag müsse nun umgesetzt werden. Mittelfristig gehörten jedoch sowohl die Pflege- als auch die Krankenversicherung auf stabilere Beine gestellt. „An einer Bürgerversicherung, die auch Beamte und Selbstständige einbezieht, geht auf Dauer kein Weg vorbei“, so Heyduck.
Da sich die Koalition im Bund nicht auf eine Bürgerversicherung einigen konnte, sei mindestens ein Ausgleich nötig zwischen Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung – und eine Deckelung der Eigenanteile in der stationären Pflege. Angesichts der Löcher in den Kassen der gesetzlichen Krankenversicherungen seien zudem ausreichende Steuerzuschüsse nötig – und auch die in der Regel mit weniger Risiken belasteten privaten Versicherer müssten ausgleichend zur Kasse gebeten werden.

„Es ist möglich, den Teufelskreis des Pflegenotstands zu durchbrechen"

Die Hans-Böckler-Stiftung fördert das Forschungsvorhaben, da es evidenzbasierte Befunde für die Gestaltung eines umkämpften Politikfelds liefert: Die Bedeutung von Care-Arbeit nimmt zu, zugleich ist der Pflegenotstand bereits jetzt offenkundig und wird sich – auch als Nachwirkung der Corona-Pandemie – künftig noch weiter verschärfen. Das Forschungsprojekt lässt weitreichende Erkenntnisse erwarten, die für Politik, Verbände und Sozialpartner von Relevanz sind, weil es die subjektiven Sichtweisen und Motive derjenigen erfasst, die „ausgestiegen“ sind bzw. Arbeitszeit reduziert haben. Dadurch liefert es nicht nur Hinweise auf Probleme und Handlungsbedarfe, sondern hilft auch Wissensdefizite darüber abzubauen, was die für den Wiedereinstieg entscheidenden Bedingungen sind, etwa im Bereich der Arbeitsgestaltung. Diese lassen sich wiederum in konkrete Handlungsempfehlungen übersetzen.

Damit weist das Projekt weit über den bisherigen Horizont der Debatte um „attraktive Pflege“ hinaus: „Die Befunde der von uns geförderten Studie zeigen, dass es viele Fachkräfte gibt, die in die Pflege zurückkehren oder ihre Stunden aufstocken würden, wenn bessere Arbeitsbedingungen, insbesondere bessere Personalschlüssel, in Aussicht stehen“, sagt Dr. Claudia Bogedan, Geschäftsführerin der Hans-Böckler-Stiftung. „Es ist also möglich, den Teufelskreis, dass immer weniger Pflegekräfte zu noch weniger Pflegekräften führen, zu durchbrechen.“
Das Vorhaben knüpft dabei an erste Ergebnisse der von der Arbeitnehmerkammer Bremen regional durchgeführten Pilotstudie zum Pflegefachkräftepotenzial an und vergrößert deren Reichweite. Damit werden erstmals bundesweite Daten erhoben und ausgewertet. Es ist darüber hinaus eingebettet in und ergänzt eine Reihe weiterer Projekte aus dem Bereich Care-Arbeit/Gesundheitsnahe Dienstleistungen, die aktuell bei der Hans-Böckler-Stiftung gefördert werden, und die das Ziel haben, Optimierungspotenziale in der strategischen Gestaltung des Politikfelds Pflege zu identifizieren. Hierzu gehören etwa Untersuchungen zur Tariflandschaft, zu gesundheitsgerechten Arbeitsbedingungen oder zu Personalschlüsseln in der Intensivpflege.

Die Studie – ein kurzer Überblick

„Ich pflege wieder, wenn…“ – Potenzialanalyse zur Berufsrückkehr und Arbeitszeitaufstockung von Pflegefachkräften“:
An der Befragung haben sich im Herbst 2021 bundesweit 12.684 Menschen beteiligt, die entweder in Teilzeit in der Pflege tätig sind oder den Pflegeberuf verlassen haben. Der Frauenanteil betrug 82 Prozent („ausgestiegene“ Pflegekräfte) bzw. 87 Prozent (Teilzeitpflegekräfte). Etwa 25 Prozent der Befragten waren „ausgestiegene“ Pflegekräfte und 75 Prozent Teilzeitpflegekräfte. Zwei Drittel arbeiteten aktuell oder zuletzt in der Krankenpflege, ein Drittel in der Langzeitpflege.

Die Befragung wurde in Kooperation von Arbeitnehmerkammer Bremen, Arbeitskammer des Saarlandes und Institut Arbeit und Technik durchgeführt und von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet. Die Hans-Böckler-Stiftung hat die Studie gefördert.
Die bundesweite Befragung fußt auf einem Pilotprojekt, bei dem im Land Bremen im Jahr 2020 rund 1.000 Pflegekräfte befragt wurden.
Zentrale Ergebnisse:
- Studie ergibt ein Potenzial von mindestens rund 300.000 zusätzlichen Vollzeit-Pflegekräften (= konservative Hochrechnung, optimistisch: rund 660.000) durch Rückkehr in den Pflegeberuf und Aufstockung von Stunden bei Teilzeitkräften
- „Ausgestiegene“ Pflegefachkräfte = Potenzial von 263.000 (konservativ) bis zu 583.000 (optimistisch) Vollzeitäquivalente
- Bereitschaft zur Aufstockung Teilzeitbeschäftigte = 39.000 (konservativ) bis zu 78.000 (optimistisch) Vollzeitäquivalente
- Knapp 50 Prozent der befragten Teilzeitpflegekräfte wären bereit, ihre wöchentliche Arbeitszeit zu erhöhen – um 10 Stunden im Mittel. Gut 60 Prozent der „ausgestiegenen“ Pflegekräfte wären bereit zu einer Rückkehr im wöchentlichen Umfang von im Mittel von 30 Stunden

Die wichtigsten genannten Bedingungen für einen Wiedereinstieg / eine Stundenerhöhung:
- Mehr Zeit für eine qualitativ hochwertige Pflege durch eine bedarfsgerechte Personalbemessung
- Eine angemessene Bezahlung, die insbesondere Fort- und Weiterbildungen anerkennt
- Ein wertschätzender und respektvoller Umgang von Vorgesetzten, Kollegialität, sowie Augenhöhe gegenüber der Ärzteschaft
- Verbindliche Dienstpläne
- Vereinfachte Dokumentation

Das Forschungsprojekt wird von einem breit besetzten Beirat begleitet. Mitglieder sind:
- Claus Bölicke, AWO, Bündnis für gute Pflege
- Matthias Gruß, ver.di
- Prof. Moritz Heß, Hochschule Niederrhein
- Prof. Gertrud Hundenborn, dip
- Bernhard Krautz, Michael Wittmann, Vereinigung der Pflegenden in Bayern
- Jana Luntz, Deutscher Pflegerat
- Prof. Albert Nienhaus, BGW
- Dr. Ulrike Rösler, BAuA
- Prof. Heinz Rothgang, Universität Bremen
- Dr. Dorothea Voss, Dr. Eike Windscheid, Christina Schildmann, Hans-Böckler-Stiftung

*Jennie Auffenberg, Denise Becka, Michaela Evans, Nico Kokott, Sergej Schleicher, Esther Braun
„Ich pflege wieder, wenn …“ – Potenzialanalyse zur Berufsrückkehr und Arbeitszeitaufstockung von Pflegefachkräften. Kurzversion der Studie, Mai 2022 PDF › https://arbeitnehmerkammer.de/fileadmin ... assung.pdf
Langversion PDF › https://arbeitnehmerkammer.de/fileadmin ... assung.pdf
Die PM mit Tabelle PDF › https://www.boeckler.de/pdf/pm_fofoe_20 ... _final.pdf

Kontakt
Christina Schildmann, Leiterin Abteilung Forschungsförderung ›
Dr. Eike Windscheid, Abteilung Forschungsförderung ›
Rainer Jung, Leiter Pressestelle ›

Quelle: Pressemitteilung vom 03.05.2022
Hans-Böckler-Stiftung - Pressestelle
Georg-Glock-Straße 18, 40474 Düsseldorf
Telefon +49 211 7778 148
E-Mail: presse@boeckler.de
>>> https://www.boeckler.de/newsletter-rest ... B7D7BDD13/


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DBfK-Statement zur Studie „Ich pflege wieder, wenn …“

Die Studie „»Ich pflege wieder, wenn…« – Potenzialanalyse zur Berufsrückkehr und Arbeitszeitaufstockung von Pflegefachkräften“ wurde von der Arbeitnehmerkammer Bremen, der Arbeitskammer des Saarlandes und dem Institut Arbeit und Technik durchgeführt, von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet und von der Hans-BöcklerStiftung gefördert. Die Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), Christel Bienstein, zur heute veröffentlichten Studie:

„Die gerade veröffentlichte Studie ‚Ich pflege wieder, wenn …‘ belegt mit deutlichen Zahlen, was wir schon seit Jahren sagen: Wir brauchen spürbare Verbesserungen in der Personalausstattung, eine bedarfsgerechte Personalbemessung, faire Gehälter und attraktive Karrierewege. Sonst lässt sich die Pflegekrise nicht lösen. Es wird nun endlich Zeit, dass die neue Bundesregierung Pflegepolitik angeht. Die Einführung der PPR 2.0 ist dafür der erste notwendige Schritt, damit die Kolleg:innen die Pflege leisten können, die die Menschen benötigen.“

Quelle: Pressemitteilung vom 03.05.2022
Anja Kathrin Hild | Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit | Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe - Bundesverband e. V.
hild@dbfk.de | www.dbfk.de | Alt-Moabit 91 | 10559 Berlin | Fon 030-219157- 30 | Fax 030-219157-77


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Auch Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk sieht gute Zukunftsaussichten, wenn, wie seit Jahrzehnten gefordert, endlich gute Arbeitsbedingungen für die Pflegetätigkeit geschaffen werden: = Deutliche verbesserte Stellenschlüssel und höherere Vergütungen! >>> https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... p?f=4&t=22

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Eigenanteile für die Pflege steigen um über 20 Prozent

Beitrag von WernerSchell » 16.11.2022, 11:20

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Eigenanteile für die Pflege steigen um über 20 Prozent

(16.11.22) Der seit mehreren Jahren zu beobachtende Kostenanstieg in der stationären Pflege spitzt sich zu. Pflegebedürftige in der stationären Pflege müssen Mitte November 2022 um durchschnittlich 21 Prozent höhere Eigenanteile zahlen als vor einem Jahr. Das zeigt eine erste Auswertung der "Echtdaten" aus dem Pflegenavigator der AOK. Ein Grund ist die seit dem 1. September 2022 bestehende das Pflegepersonal auf Tarifniveau zu entlohnen.

Weitere Zahlen und Daten:
https://aok-bv.de/presse/pressemitteilu ... 26061.html

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Quelle: Mitteilung vom 15.11.2022
Web-Infomail des AOK-Bundesverbandes
Herausgeber:
AOK-Bundesverband
Webredaktion
Tel.: 030/220 11-200
Fax: 030/220 11-105
mailto:mailto:aok-mediendienst@bv.aok.de
https://www.aok-bv.de


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Die Kostensteigerungen in der Pflegeversicherung verdeutlichen, dass eine umfassende Pflegereform dringlich ist. Der zwangsläufig entstehende Mehraufwand muss solidarisch bzw. durch Zuwendungen des Staates (aus Steuermitteln) finanziert werden! - Werner Schell

Pflegekosten solidarisch finanzieren.PNG
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Höhere Freigrenzen für Vermögen bei der Pflege: Mehr Menschen haben Anspruch auf staatliche Hilfe

Beitrag von WernerSchell » 27.01.2023, 07:34

Höhere Freigrenzen für Vermögen bei der Pflege: Mehr Menschen haben Anspruch auf staatliche Hilfe

Drei Fragen an Verena Querling, Pflegerechtsexpertin der Verbraucherzentrale NRW

Pflegebedürftig zu sein, wird immer teurer. Der Eigenanteil für die Pflege im Heim ist innerhalb eines Jahres um 300 Euro gestiegen und liegt nun nach Berechnungen der Ersatzkassen im bundesweiten Durchschnitt bei 2.411 Euro. In NRW sind es sogar 2.713 Euro. Und auch die Kosten für die ambulante Pflege steigen. Viele Menschen können sich das nicht mehr leisten. „In solchen Fällen kann staatliche Hilfe beantragt werden“, sagt Verena Querling, Pflegerechtsexpertin bei der Verbraucherzentrale NRW. „Die gute Nachricht ist, dass sich die Vermögensfreigrenzen und die Einkommensgrenzen zum Jahreswechsel erheblich erhöht haben. Dadurch haben mehr Menschen einen Anspruch auf Hilfe.“ Es gibt jedoch einiges zu beachten.

Was hat sich bei der Vermögensfreigrenze geändert?
Um Hilfe zur Pflege geltend machen zu dürfen, darf kein ausreichendes Vermögen und Einkommen vorhanden sein. Aber es gibt eine Vermögensfreigrenze, und diese ist mit Jahresbeginn bei der Hilfe zur Pflege von 5.000 Euro auf 10.000 Euro pro Person gestiegen. Das bedeutet, dass Menschen, die nicht mehr als 10.000 Euro in bar oder auf dem Konto haben, bereits Hilfe zur Pflege erhalten können. Für Eheleute beträgt der Vermögensfreibetrag 20.000 Euro, hinzu kommt für jedes Kind, das noch finanziert wird, ein Betrag von 500 Euro. Es gibt darüber hinaus weiteres Schonvermögen (zum Beispiel eine Immobilie), für das eigene Voraussetzungen gelten.

Wie wird die Einkommensgrenze berechnet?
Man erhält nur Hilfe zur Pflege, wenn man die monatlichen Beträge nicht selber finanzieren kann. Denn die Pflegeversicherung ist keine Vollkaskoversicherung, es muss stets ein Eigenanteil geleistet werden. Die Hilfe zur Pflege dagegen kommt vom Sozialamt und wird ausgezahlt, wenn das Einkommen (z.B. Rente) nicht ausreicht. Hier ist zu unterscheiden: Zieht von Eheleuten eine Person ins Pflegeheim und der/die Ehepartner/in bleibt zu Hause, übernimmt das Sozialamt den Teil der Kosten, der über der Einkommensgrenze liegt. Diese Einkommensgrenze ist abhängig von den sogenannten Regelbedarfsstufen, die sich ebenfalls erhöht haben (in der Regelbedarfsstufe I auf 502 Euro). Wer als allein lebende Person ins Pflegeheim zieht, muss dagegen das gesamte Einkommen für die Kosten des Pflegeheims einsetzen. Es verbleibt dann nur ein Taschengeld für eigene Ausgaben in Höhe von 135,54 Euro. In diesem Fall tritt die Hilfe zur Pflege ein, wenn mit dem eigenen Einkommen die Kosten nicht vollständig gedeckt werden können.

Welche Hilfen gibt es noch?
Es stehen verschiedene staatliche Hilfen zur Verfügung. Zum einen kann in NRW Pflegewohngeld beantragt werden. Außerdem gibt es bundesweit Wohngeld – auch im Pflegeheim. Auch hier gibt es Regeln, wie viel Vermögen vorhanden sein darf und ab welchem Einkommen es diese Hilfe gibt. Betroffene Menschen sollten sich nicht scheuen, sich beraten zu lassen und diese Hilfen zügig zu beantragen. Denn die staatliche Unterstützung wird ab der Antragstellung ausgezahlt. Auch wenn die Bearbeitung länger dauern sollte, wird das Geld ab diesem Zeitpunkt berechnet.

Weiterführende Infos und Links:
• Mehr zu Kosten im Pflegeheim auf unserer Themenseite (Stichwort Finanzierung): www.verbraucherzentrale.nrw/wissen/gesu ... lege/infos
• Mehr zu Heimentgelten, Pflegewohngeld, Freibeträgen und Sozialhilfe im Online-Seminar der Verbraucherzentrale NRW am 26.01.2023 von 16-17 Uhr. Anmeldung unter : www.edudip.com/de/webinar/heimentgelt-2 ... fe/1719668

Für weitere Informationen
Pressestelle Verbraucherzentrale NRW
Tel. (0211) 38 09-101
presse@verbraucherzentrale.nrw
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Quelle: Pressemitteilung vom 26.01.2023
Verbraucherzentrale NRW
Pressestelle
Mintropstraße 27
40215 Düsseldorf
Tel.: 0211/3809-101
Fax: 0211/3809-216

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Vorschlag für verpflichtende Pflegezusatz­versicherung

Beitrag von WernerSchell » 19.04.2023, 17:04

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17.04.2023


Vorschlag für verpflichtende Pflegezusatz­versicherung


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Berlin – Angesichts weiter steigender Pflegekosten hat eine Expertenkommission die Einführung einer ver­pflichtenden Pflegezusatzversicherung vorgeschlagen. Sie soll insbesondere das Risiko steigender Eigenan­teile in der stationären Pflege abdecken, sagte der Direktor des Verbands der Privaten Krankenversicherung, Florian Reuther, heute in Berlin.
Ziel sei es, die Pflegeversicherung zu einer zukunftsfesten und bezahlbaren Vollversicherung auszubauen und dabei die Generationengerechtigkeit zu beachten. Deshalb müsse die Zusatzversicherung für alle Bürger ver­pflichtend sein.
Der Vorsitzende des von der Privaten Krankenversicherung einberufenen Expertenrates, der Gesundheitsöko­nom Jürgen Wasem, sagte, eine alternde Gesellschaft werde unweigerlich zu steigenden Pflegekosten führen.
... (weiter lesen unter) ... > https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/ ... rsicherung


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Zum Thema wurde in den sozialen Medien wie folgt informiert:


Angesichts weiter steigender Pflegekosten hat eine Expertenkommission die Einführung einer verpflichtenden Pflegezusatzversicherung vorgeschlagen. Sie soll insbesondere das Risiko steigender Eigenanteile in der stationären Pflege abdecken … > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... ?f=5&t=725 Dazu ergibt sich folgende erste Einschätzung: Das Angebot für eine ergänzende Pflegezusatzversicherung kann hilfreich sein, ersetzt aber nicht die seit Jahren geforderte Pflegereform, die nur unter Einsatz von Steuermitteln erfolgreich gestaltet werden kann!

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Rund 81 Prozent der Vollzeitbeschäftigten wollen Vier-Tage-Woche, große Mehrheit wünscht Lohnausgleich

Beitrag von WernerSchell » 08.05.2023, 16:30

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Neue Studie
Rund 81 Prozent der Vollzeitbeschäftigten wollen Vier-Tage-Woche, große Mehrheit wünscht Lohnausgleich

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Die Vier-Tage-Woche wird öffentlich viel diskutiert. Positive Zwischenergebnisse von Pilotprojekten in Großbritannien haben Schlagzeilen gemacht: Beschäftigte sind mit der verkürzten Arbeitszeit produktiver, weniger gestresst und seltener krank. Auch in Deutschland halten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Verkürzung ihrer Arbeitswoche unter bestimmten Voraussetzungen für sinnvoll, zeigt eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Darin untersuchen Dr. Yvonne Lott vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Stiftung und Dr. Eike Windscheid auf Basis aktueller Befragungsdaten, ob Vollzeiterwerbstätige eine Vier-Tage-Woche möchten oder nicht, und aus welchen Gründen. Kernergebnis: Rund 81 Prozent der Vollzeiterwerbstätigen wünschen sich eine Vier-Tage-Woche mit entsprechend niedrigerer Wochenarbeitszeit. Knapp 73 Prozent geben dabei an, eine Arbeitszeitverkürzung nur bei gleichem Lohn zu wollen. Acht Prozent der Erwerbstätigen würden ihre Arbeitszeit auch reduzieren, wenn dadurch das Entgelt geringer ausfiel. 17 Prozent der Befragten lehnen eine Vier-Tage-Woche ab, zwei Prozent haben ihre Vollzeittätigkeit bereits auf vier Tage verteilt.

Die Befragten, die sich eine Vier-Tage-Woche wünschten, gaben an, mehr Zeit für sich selbst und für ihre Familie haben zu wollen (knapp 97 bzw. 89 Prozent; Mehrfachnennungen möglich). Lott und Windscheid schlussfolgern daraus, dass eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Beschäftigte einen sehr hohen Stellenwert hat und viele eine Vier-Tage-Woche als Instrument ansehen, das ihnen dabei hilft. Mehr Zeit für Hobbies, Sport und Ehrenamt möchten 87 Prozent der Befragten. Eine Vier-Tage-Woche könnte also auch dabei helfen, zivilgesellschaftliches Engagement zu stärken, so die Forschenden. „Zeit für Muße hat damit einen besonderen Stellenwert für gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Stabilität von Demokratie.“ Rund 75 Prozent der Befragten möchten ihre Arbeitsbelastung verringern. Knapp 31 Prozent der Vollzeiterwerbstätigen möchten ihre Arbeitszeit aufgrund von gesundheitlichen Problemen verkürzen.

Wer eine Vier-Tage-Woche grundsätzlich ablehnt, hat sehr oft das Gefühl, dass sich an den Arbeitsabläufen nichts ändern würde (82 Prozent der 17 Prozent, die mit Nein geantwortet haben; auch hier waren Mehrfachantworten möglich) oder die Arbeit in kürzerer Zeit nicht zu schaffen wäre (rund 77 Prozent). Etwa 86 Prozent wollen ihre Arbeitszeit nicht verkürzen, weil sie Spaß an der Arbeit haben. Bei circa 69 Prozent der Befragten ohne Interesse kann die Arbeit nach eigener Einschätzung nicht einfach einen Tag ruhen. Knapp 38 Prozent lehnen eine Vier-Tage-Woche ab, weil sie häufig für Kollegen einspringen müssten, rund 34 Prozent haben das Gefühl, bei verkürzten Arbeitszeiten beruflich nicht voranzukommen.

Die Untersuchung basiert auf Daten von 2.575 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in Vollzeit arbeiten und vertraglich geregelte Arbeitszeiten haben. Sie nahmen im November 2022 an der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung teil. Das ist eine Online-Panelbefragung, bei der seit April 2020 in bislang neun Wellen Berufstätige zu ihrer Arbeits- und Lebenssituation befragt werden. Die Auswahl der Befragten basiert auf strukturellen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Bundesland und Bildung. Deren Verteilung in der Stichprobe entspricht der Verteilung in der amtlichen Statistik, sodass die Ergebnisse repräsentativ für die deutsche Erwerbsbevölkerung sind.

Produktivitätsgewinne durch kürzere Arbeitszeiten
Dass die große Mehrheit der Vollzeitbeschäftigten sich eine Vier-Tage-Woche bei gleichbleibendem Lohn wünscht, ist nach Einschätzung der Forschenden keine grundsätzliche Hürde für eine Arbeitszeitverkürzung. Bisherige Forschung weist darauf hin, dass Arbeitnehmer bei einer Vier-Tage-Woche produktiver arbeiten, wodurch ein Lohnausgleich kompensiert werden könne, betonen Lott und Windscheid. „Insofern handelt es sich bei der Vier-Tage-Woche um ein Arbeitszeitarrangement, das nicht nur betriebliche Gewinne verspricht, sondern auch individuell breit favorisiert wird“, schreiben die Forschenden. „Eine Verbesserung der subjektiven Zeitautonomie stellt dabei zugleich als wichtiger Aspekt von Arbeitgeberattraktivität einen Mehrwert bei der Gewinnung von Fachkräften dar.“

Weitere Vorteile sehen Lott und Windscheid für die Gesellschaft insgesamt – darin, dass sich Beschäftigte besser regenerieren können, Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren und eher gesund bleiben. „Es spricht daher viel dafür, dass Entscheidungsträger*innen in Politik, bei den Sozialpartnern sowie in Betrieben das Modell der Vier-Tage-Woche als Instrument zur Behebung des Fachkräftemangels, zur Stabilisierung von Sozialkassen, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Gesunderhaltung von Beschäftigten in Erwägung ziehen und den verbreiteten Wunsch danach unter den Erwerbstätigen ernst nehmen sollten“, schreiben die Forschenden.

Jedoch müssen bei einer Vier-Tage-Woche auch die Arbeitsmenge und die Arbeitsabläufe angepasst werden. Ansonsten könnte sich eine Arbeitszeitverkürzung negativ auf die Motivation und das Wohlergehen der Beschäftigten auswirken. „Für eine wirkungsvolle Umsetzung braucht es verbindliche Vertretungsregelungen, mehr Personal sowie eine angepasste Arbeitsorganisation, z.B. Erreichbarkeitsregeln im Kundenkontakt, und eine verringerte Arbeitsmenge, z.B. durch Automatisierungsprozesse“, schreiben Lott und Windscheid. Ein weiterer wichtiger Punkt: Mehr und verlässliche öffentliche Kinderbetreuung sei auch dann nötig, wenn künftig deutlich mehr Beschäftigte vier Tage die Woche arbeiten.

Yvonne Lott, Eike Windscheid

Vorteile für Beschäftigte und betriebliche Voraussetzungen, WSI Policy Brief Nr. 79, Mai 2023 MEHR › https://www.boeckler.de/de/faust-detail ... HBS-008610

Quelle. Pressemitteilung vom 08.05.2023
Kontakt
Dr. Yvonne Lott, Expertin für Arbeitszeit und für Geschlechterforschung ›
Dr. Eike Windscheid, Abteilung Forschungsförderung ›
Rainer Jung, Leiter Pressestelle ›
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Anmerkung dazu:
Den geäußerten Wünschen gerecht zu werden, erscheint angesichts der Zeitenwende / Welt-Unordnung wirtschaftlich kaum machbar. Eigentlich muss die Arbeitsleistung in Deutschland ausgeweitet werden, zumindest konstant bleiben. In den nächsten Jahren werden hunderttausende Baby-Boomer in Rente gehen, ohne dass deren fehlende Arbeitskraft durch eine Fachkräftegewinnung, z.B. durch qualifizierte Einwanderung, ausgeglichen werden kann. Es fragt sich daher, wie angesichts der immensen Verschuldung der öffentlichen Haushalte und der wirtschaftlichen Probleme im Rahmen der Globalisierung der Wirtschaftsstandard stabil gehalten werden kann.

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