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WernerSchell
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Studie: Unsicherheiten abbauen erhöht Akzeptanz für Impfungen

Beitrag von WernerSchell » 26.07.2022, 17:19

Übernahme aus Forum > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... ?f=5&t=508


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Studie: Unsicherheiten abbauen erhöht Akzeptanz für Impfungen

Das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit hat eine Studie zu den Corona-Ungeimpften in Rheinland-Pfalz in Auftrag gegeben. Im Zeitraum zwischen März und Mai 2022 wurden über 8.600 Menschgen befragt. Die Ergebnisse haben der Landesimpfkoordinator, Ministerialdirektor Daniel Stich, und die Leiterin der Studie, Jana Faus, vorgestellt.

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„Wir sehen aktuell steigende Inzidenzen und eine steigende Anzahl an Menschen, die in den Krankenhäusern behandelt werden müssen. Hinzu kommen krankheitsbedingte Ausfälle beim Pflegepersonal. Unser Ziel bleibt, gerade vulnerable Gruppen zu schützen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Je höher die Impfquote, umso besser kommen wir durch die nächste Welle. Auch mit Blick auf den Herbst beschäftigen wir uns daher mit der Frage, wie wir bei Bedarf Menschen wieder dazu bewegen können, sich impfen zu lassen“, sagte Landesimpfkoordinator Daniel Stich. Um schwere Verläufe zu verhindern, sei das Impfen immer noch das Mittel der Wahl. Dennoch gäbe es Menschen, die auf eine Infektion ohne vorangegangene Impfung und die anschließende Behandlung durch entsprechende zugelassene Mittel setzten. „Das ist fahrlässig. Zwar lässt sich die Sterblichkeit durch eine angemessene und rechtzeitige Behandlung reduzieren. Die Gefahr schwerer Verläufe wird vor allem durch die Impfung gemindert“, so Stich.

Die Studie habe gezeigt, dass die Entscheidung gegen eine Corona-Schutzimpfung mehrheitlich durch fehlendes Vertrauen in Politik, Medien, Institutionen und Gesellschaft geleitet wird. Überrepräsentiert sind AFD-Wähler*innen, Nichtwähler*innen, Menschen mit osteuropäischem Migrationshintergrund und Bürger*innen mit niedrigem Einkommen, so Jana Faus, Geschäftsführerin der pollytix strategic research gmbh. „Ungeimpft-sein gilt als Zeichen eigener Widerstandsfähigkeit und ist damit identitätsstiftend. Die Wahrnehmung eigener Stärke führt zu einer Herabsetzung und einer bewussten Abgrenzung gegenüber geimpften Menschen. 87 Prozent der nicht aus medizinischen Gründen Ungeimpften werden von Verschwörungsnarrativen beeinflusst und sind daher überwiegend nicht für eine Impfkampagne erreichbar“, so Faus. Eine Minderheit von 13 Prozent, meist Eltern oder junge Frauen und Menschen aus städtischen Wohnorten seien noch offen, sich mit Hilfe von unabhängigen Langzeitstudien in verständlicher Sprache, individuellen Beratungsangeboten oder einer ergebnisoffenen, neutralen Impfkampagne von dem Impfschutz vor Langzeitfolgen einer Corona-Infektion überzeugen zu lassen.

Für den Herbst werde die Verfügbarkeit omikronangepasster Impfstoffe erwartet. Der Landesimpfkoordinator rechnet wie in den vorangegangenen Impfkampagnen auch mit einer hohen Impfbereitschaft in der Bevölkerung, aber auch mit Mythen, Legenden und Unwahrheiten, die aus dem Kreis der Verschwörungstheorie und der Impfgegner verbreitet werden: „Um noch gezielter für die Schutzimpfung zu werben, müssen wir verstehen, warum Menschen so vehement und abseits aller Fakten und Vernunft gegen das Impfen agieren. Mit der nun vorliegenden Studie erschließen sich uns mehr Klarheit über die Motivation aber auch neue Wege, um Menschen weiterhin für eine Impfung zu gewinnen. Wir werden akzeptieren müssen, dass es einen Teil von Menschen gibt, die wir nicht erreichen und noch weniger überzeugen können. Umso engagierter werden wir uns um jene bemühen, die sich von Unwahrheiten haben täuschen lassen“, sagte Landesimpfkoordinator Daniel Stich.


Studie zu Corona-Ungeimpften in Rheinland-Pfalz > https://mwg.rlp.de/fileadmin/mbwwk/Pres ... __002_.pdf

Quelle: Pressemitteilung vom 26.07.2022
Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit
Mittlere Bleiche 61
55116 Mainz
Kontaktmöglichkeiten
Telefon 06131 16-0 - zentraler Telefondienst
Telefax 06131 16-29 97
E-Mail poststelle(at)mwg.rlp.de
Postfachanschrift
Postfach 32 20
55022 Mainz
> https://mwg.rlp.de/de/service/pressemit ... impfungen/


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Siehe auch Bericht der Ärzte Zeitung vom 26.07.2022:
Neue Studie
Ärzte sollten mit Corona-Ungeimpften über Haftungsfragen sprechen

Sieben Prozent der Rheinland-Pfälzer sind nicht gegen Corona geimpft. Autoren einer Studie haben Beweggründe analysiert – und zeigen drei Hebel auf, um die Impfquote zu erhöhen.
... (weiter lesen unter) ... > https://nlcontent.aerztezeitung.de/redi ... F1DD0CCD68

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Aktueller Cochrane Review: Wie zuverlässig sind Corona-Schnelltests?

Beitrag von WernerSchell » 28.07.2022, 07:02

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Aktueller Cochrane Review: Wie zuverlässig sind Corona-Schnelltests?

Inzwischen kennt sie Jede*r: Antigen-Schnelltests auf SARS-CoV-2, die Virusproteine in Proben aus der Nase oder dem Rachen nachweisen. Ein eben aktualisierter Cochrane Review gibt einen Überblick über die wissenschaftliche Evidenz zur Zuverlässigkeit solcher Tests. Er bestätigt auf erheblich vergößterter Evidenzbasis die wichtigesten Aussagen seines Vorgängers von 2021. Antigen-Schnelltest besitzen demnach nur bei Personen mit potentiellen Symptomen von COVID-19 ausreichende Sensitivität: Sie erkennen dann rund drei Viertel der tatsächlich Infizierten korrekt. Bei symptomlosen Personen mit einer SARS-CoV-2-Infektion erkennen sie dagegen nur jede zweite Infektion.

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Für Antigen-Schnelltests auf SARS-CoV-2 gelten wie für alle diagnostischen Tests vor allem zwei Qualitäts-Maßstäbe: Die Sensitivität ist der Anteil tatsächlich infizierter Personen, bei denen der Test ein positives Ergebnis liefert. Die Spezifität ist der Anteil nicht infizierter Personen, bei denen der Test ein negatives Ergebnis liefert. Je näher Sensitivität und Spezifität an 100 % liegen, desto genauer ist der Test. Inkorrekte Testergebnisse nennt man falsch positiv bzw. falsch negativ.
Sensitivität und Spezifität sind keine festen Werte. Sie variieren vielmehr aufgrund von Unterschieden in den untersuchten Bevölkerungsgruppen, der Art der Durchführung der Tests oder der Art und Weise, wie das Vorhandensein der Krankheit unabhängig vom untersuchten Test bestätigt wird.

Kernaussagen des Reviews

Die Ergebnisse von Antigen-Schnelltests auf SARS-CoV-2 sind am zuverlässigsten, wenn man Personen mit potentiellen Symptomen von COVID-19 in der ersten Woche der Erkrankung testet. Die Tests liefern auch dann recht zuverlässige Ergebnisse, wenn die Getesteten zuvor mit einer nachweislich infizierten Person in Kontakt waren. Personen mit negativem Testergebnis können dennoch infiziert sein (falsch negativ). Bei symptomlosen Personen sind Antigen-Schnelltests im Allgemeinen wesentlich weniger zuverlässig.
Die Genauigkeit der Antigen-Schnelltests variiert zwischen den Tests verschiedener Hersteller, und für viele im Handel erhältliche Tests gibt es keine ausreichende Evidenz.

Was wollten die Autor*innen herausfinden?

Die Autor*innen wollten wissen, ob die im Handel erhältlichen Antigen-Schnelltests genau genug sind, um eine COVID-19-Infektion zuverlässig zu diagnostizieren, und wie sich die Genauigkeit bei Menschen mit und ohne Symptome unterscheidet.

Wie gingen die Autor*innen vor?

Der Review basiert auf Studien, die die Ergebnisse von kommerziell hergestellten Antigen-Schnelltests mit denen eines PCR-Tests auf SARS-CoV-2 verglichen. Die Tests wurden im Krankenhaus, in einem öffentlichen Testzentrum oder Zuhause durchgeführt. In den eingeschlossenen Studien konnten Personen mit oder ohne Symptome getestet werden.

Was ist die Datenbasis?

Der Review konnte 155 Studien in die Untersuchung einbeziehen. Die wichtigsten Ergebnisse basieren auf 152 Studien, in denen insgesamt 100 462 Nasen- oder Rachenproben untersucht wurden; in 16 822 dieser Proben wurde COVID-19 bestätigt. In den Studien wurden 49 verschiedene Antigentests untersucht.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

Sensitivität: Bei Personen mit einer durch PCR bestätigten SARS-CoV-2-Infektion erkannten Antigentests die Infektion bei durchschnittlich 73 % der Personen mit Symptomen korrekt. Die Tests waren am genauesten, wenn sie in der ersten Woche nach Beginn der Symptome eingesetzt wurden (durchschnittlich 82 % der bestätigten Fälle hatten dann auch positive Antigentests). Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Viruslast in den ersten Tagen der Erkrankung am größten ist.

Bei Personen ohne Symptome lag Sensitivität nur bei 55 %. Etwas bessere Werte lieferten die Tests für symptomlose Personen, die Kontakt zu anderen Infizierten gehabt hatten: Durchschnittlich 64 % der mit PCR bestätigten Fälle hatten hier auch einen positiven Antigentest.

Spezifität: Für Personen, die laut PCR tatsächlich nicht mit SARS-CoV-2 infiziert waren, zeigten mehr als 99% der Antigentests dies auch korrekt an, unabhängig vom Vorhandensein von Symptomen.

Variabilität der Tests: Tests verschiedener Marken waren unterschiedlich genau. Die zusammenfassenden Ergebnisse (kombiniert aus mehr als einer Studie pro Testmarke) für sieben Tests entsprachen den Standards der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Zwei weitere Tests erfüllten in je einer Studie die WHO-Norm. Kein Test erfüllte diesen Standard, wenn er bei Personen ohne Symptome ausgewertet wurde.

Was bedeutet das in absoluten Zahlen?

Mit Symptomen
Die Zuverlässigkeit von Test hängt auch immer von der Rate von Infektionen in der Bevölkerung ab. Legt man die Ergebnisse für symptomatische Personen in der ersten Woche nach Symptombeginn zugrunde und wendet sie auf eine hypothetische Gruppe von 1000 Personen mit Symptomen an, von denen 50 (5 %) tatsächlich COVID-19 haben, so ergeben sich folgende Zahlen:

45 Personen würden positiv auf COVID-19 getestet. Von diesen hätten 5 Personen (11 %) in Wirklichkeit kein COVID-19, also ein falsch positives Ergebnis.

955 Personen würden negativ auf COVID-19 getestet. Davon hätten 10 Personen (1,0 %) tatsächlich COVID-19 (falsch negatives Ergebnis).

Ohne Symptome
Bei Personen ohne Symptome dürfte die Zahl der bestätigten Fälle viel geringer sein als bei Personen mit Symptomen. Legt man die Review-Ergebnisse für Personen ohne bekannte Exposition gegenüber COVID-19 in einer größeren Population von 10.000 Personen ohne Symptome zugrunde, von denen 50 (0,5 %) tatsächlich COVID-19 haben:

62 Personen würden positiv auf COVID-19 getestet. Von diesen hätten 30 Personen (48 %) kein COVID-19 (falsch positives Ergebnis).

9938 Personen würden negativ auf COVID-19 getestet. Davon würden 18 Personen (0,2 %) tatsächlich COVID-19 haben (falsch negatives Ergebnis).

Was bedeutet das?

Bei Menschen mit Symptomen sind einige Antigen-Schnelltests genau genug, um PCR-Tests zu ersetzen, vor allem wenn es darum geht, das Vorliegen einer Infektion festzustellen. Wenn PCR zur Verfügung steht, könnten Antigen-Schnelltests auch dazu verwendet werden, die Personen mit Symptomen auszuwählen, die weitere Tests mit PCR benötigen, wodurch die Belastung der Labordienste verringert würde. Antigen-Schnelltests sind weniger gut geeignet, um eine Infektion bei symptomatischen Personen auszuschließen - Personen, die ein negatives Ergebnis eines Antigen-Schnelltests erhalten, können dennoch infiziert sein.

Antigen-Schnelltests sind weniger genau bei Personen, die keine Symptome von COVID-19 aufweisen. Es bedarf weiterer Evidenz über die Zuverlässigkeit von Schnelltests bei symptomlosen Personen und darüber, inwieweit wiederholtes Testen einer Person die Zuverlässigkeit erhöhen kann. Für viele der kommerziell erhältlichen Testmarken gibt es keine unabhängige Evidenz. Es sind mehr direkte Vergleiche verschiedener Testmarken erforderlich, wobei sich die Tester an die Anweisungen der Hersteller halten sollten - dies war nicht in allen Studien der Fall.

Was ist der Stand der Evidenz?

Diese dritte Aktualisierung des Reviews umfasst Studienergebnisse, die bis zum 8. März 2021 veröffentlicht wurden.

Originalpublikation:
Dinnes J, Sharma P, Berhane S, van Wyk SS, Nyaaba N, Domen J, Taylor M, Cunningham J, Davenport C, Dittrich S, Emperador D, Hooft L, Leeflang MMG, McInnes MDF, Spijker R, Verbakel JY, Takwoingi Y, Taylor-Phillips S, Van den Bruel A, Deeks JJ. Rapid, point‐of‐care antigen tests for diagnosis of SARS‐CoV‐2 infection. Cochrane Database of Systematic Reviews 2022, Issue 7. Art. No.: CD013705. DOI: 10.1002/14651858.CD013705.pub3

Weitere Informationen:
> https://www.cochrane.de/news/aktueller- ... hnelltests

Quelle: Pressemitteilung vom 28.07.2022
Georg Rüschemeyer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Cochrane Deutschland
https://idw-online.de/de/news799097

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Kinder von Alleinerziehenden und Müttern mit niedrigem Einkommen stärker durch die Pandemie belastet

Beitrag von WernerSchell » 28.07.2022, 15:01

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WIdOmonitor: Kinder von Alleinerziehenden und Müttern mit niedrigem Einkommen stärker durch die Pandemie belastet

Berlin. Wie haben sich die pandemiebedingten Belastungen auf die Gesundheit von Kindern ausgewirkt? Dieser Frage geht der aktuelle WIdOmonitor zu den „Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern“ nach. Die Mehrheit der befragten Mütter ist der Meinung, dass ihre Kinder gesundheitlich relativ gut durch die Pandemie gekommen sind. Während nur 16 Prozent Verschlechterungen der körperlichen Gesundheit des Nachwuchses bemerkt haben, berichtet aber mehr als jede dritte Mutter, dass die seelische Gesundheit der Kinder gelitten habe. Überdurchschnittlich häufig betrifft dies Familien mit einem niedrigen Haushaltseinkommen.

Für den WIdOmonitor des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), der in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstitut durchgeführt worden ist, wurden im Februar und März dieses Jahres 3.000 Mütter von drei- bis zwölfjährigen Kindern befragt.

Bei den Antworten auf die Fragen zur seelischen Gesundheit der Heranwachsenden zeigt sich ein deutliches soziales Gefälle: Während der Corona-Pandemie haben vor allem Alleinerziehende und Mütter mit einfacher Bildung und geringem Haushaltseinkommen eine Verschlechterung der seelischen Gesundheit ihrer Kinder bemerkt. Das sagen deutlich mehr Geringverdienerinnen (51,0 Prozent) und Alleinerziehende (44,1 Prozent) als der Durchschnitt mit 34,9 Prozent. Generell wird die aktuelle seelische Gesundheit des eigenen Kindes im Vergleich zur körperlichen Gesundheit deutlich schlechter bewertet. 59,4 Prozent schätzen den seelischen Zustand ihrer Kinder als gut oder sehr gut ein. Auch hier fällt die Bewertung der Mütter mit einfacher Bildung (50,2 Prozent) oder geringem Haushaltseinkommen (40,7 Prozent) sowie von Alleinerziehenden (45,9 Prozent) deutlich schlechter aus.

„Wie ein roter Faden zieht sich durch fast alle Ergebnisse unserer Untersuchung, dass Kinder aus sozial schwächeren Familien deutlich stärker durch die Pandemie belastet waren“, sagt Klaus Zok, Studienleiter im Forschungsbereich Gesundheitspolitik und Systemanalysen des WIdO. Die Ergebnisse deckten sich mit denen anderer Studien und Befragungen, wonach bei Kindern von Alleinerziehenden eine niedrigere gesundheitsbezogene Lebensqualität und mehr psychische Probleme beobachtet wurden.

Viele Kinder konnten seit Beginn der Pandemie die Angebote der (vor)schulischen Bildung, Betreuung und Erziehung nur selten oder unregelmäßig nutzen. „Nun gilt es, die pandemiebedingten Belastungen zu bewältigen und Versäumtes nach- oder aufzuholen“, so Zok. Die meisten befragten Mütter wünschen sich hierfür Unterstützung durch Sportvereine (27,8 Prozent), gefolgt von Schulpsychologen und Sozialarbeitern (24,8 Prozent). Mütter mit niedrigem sozialem Status formulierten überdurchschnittlich häufig Bedarfe hinsichtlich Nachhilfe- und Lerngruppen. Nur ein knappes Drittel wünscht sich keinerlei Unterstützung. Überdurchschnittlich hoch ist dieser Anteil in der Gruppe, die mutmaßlich einen höheren Bedarf an Unterstützung hat, also bei Müttern mit einfacher Bildung (34,9 Prozent) und geringem Haushaltseinkommen (32,8 Prozent). „Das lässt befürchten, dass bestehende Versorgungsangebote ausgerechnet diejenigen Kinder nicht adäquat erreichen, die ein sehr hohes Risiko für pandemiebedingte Belastungen und mögliche Folgeerkrankungen haben“, so Klaus Zok. Viele dieser Angebote seien darauf ausgerichtet, dass Eltern die Initiative ergreifen und Hilfe für ihre Kinder aktiv nachfragen.

Die Mehrheit der befragten Mütter hat sich vor allem durch den während der Pandemie eingeschränkten Kindergarten- und Schulbetrieb stark oder sehr stark belastet gefühlt (65,2 Prozent), insbesondere die Alleinerziehenden mit 69,6 Prozent. Es zeigen sich auch hier deutliche soziale Unterschiede: So gaben Mütter mit niedrigem Haushaltseinkommen sowie Alleinerziehende häufiger starke oder sehr starke Belastungen an. Dies ist offenbar nicht ohne Folgen für das Familienleben geblieben. Fast jede zweite Mutter berichtet von einer Zunahme familiärer Meinungsverschiedenheiten seit Pandemiebeginn. Das betrifft sowohl kleinere Probleme, wie nervige Diskussionen (47,6 Prozent) als auch gravierende Vorfälle wie lauten Streit oder Handgreiflichkeiten (30,9 Prozent). Auch hier zeigten sich jeweils höhere Werte bei Geringverdienerinnen, Alleinerziehenden und bei Müttern, die mit ihren Kindern auf weniger als 20 Quadratmeter Wohnfläche je Person leben.
Aber die Pandemie hat nicht nur negative Auswirkungen auf die Familien. So berichten mehr als zwei Drittel der Mütter (73,1 Prozent), dass das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Familie gewachsen sei. „Die positiven Pandemie-Effekte wie der gestärkte familiäre Zusammenhalt oder das Entdecken neuer, gemeinsamer Hobbys wurden jedoch in sozial schwächeren Familien deutlich seltener wahrgenommen“, so Zok.

Kinder sind reizbarer und aggressiver geworden

Wie hat sich der Corona-Stress nun ganz konkret im Verhalten der Kinder und Jugendlichen bemerkbar gemacht? Mehr als jede zweite Mutter (56,3 Prozent) benennt Auffälligkeiten, die mit den pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen in Verbindung stehen könnten. Reizbarkeit und Aggressivität (36,5 Prozent) stehen dabei mit Abstand an erster Stelle. Rund ein Viertel der Befragten gibt Antriebsmangel (25,3 Prozent), Ängstlichkeit (24,5 Prozent), gedrückte Stimmung (23,8 Prozent) sowie starke Unruhe (23,1 Prozent) an. Generell findet jede fünfte Mutter, dass ihr Nachwuchs seit dem Beginn der Pandemie reizbarer und aggressiver geworden ist. Als ungünstige Auswirkungen der Pandemiemaßnahmen auf ihre Kinder geben die Mütter vor allem einen übermäßigen Medienkonsum (74,4 Prozent) und Bewegungsmangel (63,2 Prozent) an. Bei übergewichtigen Kindern haben sich in vier Fünftel aller Fälle die Gewichtsprobleme während der Pandemie verschärft, bei Kindern aus Familien mit niedrigem Einkommen sogar in über neun Zehntel der Fälle. Auch hier zeigt sich ein deutlicher Sozialgradient: Mütter mit einfacher Schulbildung, geringem Haushaltseinkommen und Alleinerziehende berichten viel häufiger von gesundheitsgefährdendem Verhalten ihrer Kinder sowie ungünstigen Auswirkungen der Pandemiemaßnahmen als der Durchschnitt. Rund elf Prozent der befragten Mütter geben an, dass ein Arzt oder Psychotherapeut bei ihrem Kind eine psychische Erkrankung diagnostiziert habe. Eine Empfehlung für eine psychotherapeutische Behandlung wurde für Kinder von Alleinerziehenden sowie Müttern mit einfacher Schulbildung oder geringem Einkommen häufiger ausgesprochen.

Mehr Infos im Internet: https://www.wido.de/publikationen-produ ... or-1-2022/

Weitere Informationen:
https://www.wido.de/publikationen-produ ... or-1-2022/

Quelle: Pressemitteilung vom 28.07.2022
Peter Willenborg Presse & Kommunikation
Wissenschaftliches Institut der AOK
https://idw-online.de/de/news799142

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Pandemievorsorge für Herbst und Winter: neuer rechtlicher Rahmen im Infektionsschutzgesetz

Beitrag von WernerSchell » 03.08.2022, 16:22

Pandemievorsorge für Herbst und Winter: neuer rechtlicher Rahmen im Infektionsschutzgesetz


Maske freiwllig tragen.PNG
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Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium der Justiz (BMJ) haben unter Beteiligung des Bundeskanzleramtes einen Vorschlag für eine Fortentwicklung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erarbeitet. Das IfSG enthält unter anderem die rechtlichen Grundlagen zur Pandemiebekämpfung. Die bisherigen auf die COVID-19-Pandemie bezogenen Sonderregeln sind bis zum 23. September 2022 befristet. Im Herbst und Winter ist mit einem saisonalen Anstieg der COVID-19-Fälle zu rechnen – und mit einer gesteigerten Belastung des Gesundheitssystems und der sonstigen kritischen Infrastrukturen. Deshalb sind modifizierte Anschlussregeln erforderlich. Der Vorschlag sieht lageangepasste Rechtsgrundlagen vom 1. Oktober 2022 bis zum 7. April 2023 vor. Die bisherigen pandemiebedingten Sonderregelungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) werden bis zum 30. September 2022 befristet.

Bundesminister für Gesundheit Prof. Karl Lauterbach:
„Deutschland soll besser als in den vergangenen Jahren auf den nächsten Coronawinter vorbereitet sein. Dafür haben wir einen 7- Punkte-Plan entwickelt. Die jetzt vereinbarten Anpassungen des IfSG sind Teil dieses Plans zur Umsetzung der Corona-Herbststrategie. Impfkampagne mit neuen Impfstoffen, Pandemieradar mit tagesaktuellen Daten, Test- und Behandlungskonzepte, Schutzkonzepte für Pflegeheime und ein rechtssicherer Rahmen für Schutzmaßnahmen: Damit können wir arbeiten. Mit einem solchen IfSG-Stufenmodell geben wir Bund und Ländern rechtssichere Werkzeuge zur Pandemievorsorge an die Hand. Dazu gehört der bundesweite Einsatz von Masken und zielgerichtetes Testen für besonders gefährdete Personen. Ab 1.10. können die Länder die Maskenpflicht in den Innenräumen nutzen. Wenn die Situation es gebietet, gilt auch eine Maskenpflicht bei Außenveranstaltungen und es kommt zu Obergrenzen im öffentlichen Raum. Wir können die Pandemie nur gemeinsam überwinden.“

Bundesminister der Justiz Dr. Marco Buschmann:
„Vorbereitet sein – Verhältnismäßigkeit wahren – vulnerable Personen schützen: An diesen drei V orientiert sich unser Corona-Schutzkonzept für die Zeit ab Oktober. Wir nehmen die Pandemie weiter ernst. Und vor allem nehmen wir die Grundrechte ernst. Auch im Herbst und Winter gilt: Freiheitseinschränkungen darf es nur geben, wenn sie erforderlich sind. Lockdowns und Ausgangssperren erteilt unser Konzept deshalb eine Absage. Stattdessen setzen wir auf Maßnahmen, die wirksam sind und zugleich zumutbar.

Masken schützen. Und in bestimmten Situationen ist eine Maskenpflicht auch zumutbar. Deshalb wird es in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie im Fernverkehr eine Maskenpflicht geben. Wenn das Pandemiegeschehen dies erfordert, können die Länder daneben für weitere Bereiche des öffentlichen Lebens in Innenräumen eine Maskenpflicht anordnen. In Kultur, Freizeit, Sport und Gastronomie muss es allerdings Ausnahmen für getestete, frischgeimpfte und frischgenesene Personen geben. In diesen sozialen Bereichen ist es richtig, mehr auf die Eigenverantwortung der Zivilgesellschaft zu setzen – so wie es auch die meisten anderen europäischen Staaten tun.

Den Schulen gilt unser besonderes Augenmerk. Kinder haben ein Recht auf schulische Bildung und einen möglichst unbeschwerten Schulalltag. Schulschließungen darf es deshalb nicht geben. Auch eine pauschale Maskenpflicht an Schulen wäre nicht angemessen. Die Länder werden eine Maskenpflicht an Schulen deshalb nur anordnen können, wenn dies erforderlich ist, um weiter Präsenzunterricht durchführen zu können – und auch dann nur für Kinder ab der fünften Klasse.

Unser Schutzkonzept ist die richtige Antwort auf die jetzige Pandemielage. Ich bin froh, dass wir uns innerhalb der Bundesregierung so zügig darauf verständigt haben. Wir folgen damit genau dem vereinbarten Fahrplan. Bis Ende September ist ausreichend Zeit, um das Gesetzgebungsverfahren zu einem überzeugenden Abschluss zu bringen.“
Der Vorschlag für die Fortentwicklung des IfSG sieht ein mehrstufiges, lagebezogenes Schutzkonzept vor. Danach sollen zwischen Anfang Oktober und Anfang April bestimmte bereichsspezifische Schutzmaßnahmen bundesweit gelten. Vorgesehen ist ferner, dass die Länder bestimmte weitere Schutzmaßnahmen anordnen können, soweit dies erforderlich ist, um die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastruktur zu gewährleisten und einen geregelten Schulunterricht in Präsenz aufrechtzuerhalten. Sofern in einem Land eine konkrete Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastruktur besteht, kann das Land – nach einem Parlamentsbeschluss – in betroffenen Gebietskörperschaften bestimmte weitergehende Schutzmaßnahmen anordnen.
Schutzmaßnahmen vom 1. Oktober 2022 bis zum 7. April 2023:

Bundesweit geltende Schutzmaßnahmen
• Maskenpflicht im Luft- und öffentlichen Personenfernverkehr.
• Masken und Testnachweispflicht für den Zutritt zu Krankenhäusern sowie voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen und vergleichbaren Einrichtungen sowie für Beschäftigte in ambulanten Pflegediensten und vergleichbaren Dienstleistern während ihrer Tätigkeit.
Ausnahmen von der Testnachweispflicht sind vorgesehen für frisch geimpfte und genesene Personen sowie für Personen, die in den jeweiligen Einrichtungen oder von den jeweiligen Dienstleistern behandelt, betreut oder gepflegt werden.

Ausnahmen von der Maskenpflicht sind vorgesehen, wenn die Behandlung dem Tragen einer Maske entgegensteht sowie für in den jeweiligen Einrichtungen behandelte oder gepflegte Personen in den für ihren persönlichen Aufenthalt bestimmten Räumlichkeiten; ferner für Kinder unter 6 Jahren, für Personen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können, sowie gehörlose und schwerhörige Menschen.
Optionale, weitergehende Schutzmaßnahmen der Länder
Die Länder können weitergehende Regelungen erlassen, um die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastruktur zu gewährleisten. Diese möglichen Maßnahmen in Länderverantwortung sind:
• Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr.
• Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen. Eine zwingende Ausnahme ist bei Freizeit-, Kultur- oder Sportveranstaltungen, in Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie in gastronomischen Einrichtungen und bei der Sportausübung für Personen vorzusehen, die über einen Testnachweis verfügen oder genesen sind (Genesenennachweis; es gilt die bisherige 90 Tage-Frist) oder die vollständig geimpft sind und bei denen die letzte Impfung höchstens drei Monate zurückliegt.
• Verpflichtung zur Testung in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Einrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerbern, Hafteinrichtungen, Kinderheimen) sowie Schulen und Kindertageseinrichtungen.
• Maskenpflicht in Schulen und sonstigen Ausbildungseinrichtungen für Beschäftigte und für Schülerinnen und Schüler ab dem fünften Schuljahr, wenn dies zur Aufrechterhaltung eines geregelten Präsenz-Unterrichtsbetriebs erforderlich ist.
Stellt ein Landesparlament für das gesamte Bundesland oder eine konkrete Gebietskörperschaft anhand bestimmter, gesetzlich geregelter Indikatoren eine konkrete Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastrukturen fest, können dort außerdem folgende Maßnahmen angeordnet werden:
• Maskenpflicht bei Veranstaltungen im Außenbereich, wenn ein Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden kann, sowie bei Veranstaltungen in öffentlich zugänglichen Innenräumen. Die Ausnahmeregelung für genesene, frisch geimpfte oder getestete Personen gilt dann nicht.
• Verpflichtende Hygienekonzepte (Bereitstellung von Desinfektionsmitteln, Vermeidung unnötiger Kontakte, Lüftungskonzepte) für Betriebe, Einrichtungen, Gewerbe, Angebote und Veranstaltungen aus dem Freizeit-, Kultur- und Sportbereich für öffentlich zugängliche Innenräume, in denen sich mehrere Personen aufhalten.
• Anordnung eines Mindestabstands von 1,5 m im öffentlichen Raum.
• Festlegung von Personenobergrenzen für Veranstaltungen in öffentlich zugänglichen Innenräumen.
Der Vorschlag für die Fortentwicklung des IfSG soll voraussichtlich noch im August vom Bundeskabinett beschlossen werden. Anschließend soll er in das bereits laufende Verfahren zum Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19 eingebracht werden. Dadurch ist sichergestellt, dass die Regelungen rechtzeitig in Kraft treten können.

Quelle: Pressemitteilung vom 03.08.2022
Bundesministerium der Justiz
Digitale Kommunikation und Soziale Medien
Mohrenstraße 37
10117 Berlin
Kontakt
E-Mail: internet@bmj.bund.de
Tel.: +49 (0) 30 18 580 - 0


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Zum Thema passt:


Antigen-Schnelltests auf SARS-CoV-2 / Studie zu Corona-Ungeimpften … Infos:
• Inzwischen kennt sie Jede*r: Antigen-Schnelltests auf SARS-CoV-2, die Virusproteine in Proben aus der Nase oder dem Rachen nachweisen. Ein eben aktualisierter Cochrane Review gibt einen Überblick über die wissenschaftliche Evidenz zur Zuverlässigkeit solcher Tests. Er bestätigt auf erheblich vergößterter Evidenzbasis die wichtigesten Aussagen seines Vorgängers von 2021. Antigen-Schnelltest besitzen demnach nur bei Personen mit potentiellen Symptomen von COVID-19 ausreichende Sensitivität: Sie erkennen dann rund drei Viertel der tatsächlich Infizierten korrekt. Bei symptomlosen Personen mit einer SARS-CoV-2-Infektion erkennen sie dagegen nur jede zweite Infektion. … Näheres > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... 5914#p5914
• Studie zu Corona-Ungeimpften verdeutlicht: Unsicherheiten abbauen erhöht Akzeptanz für Impfungen. - Aktuell steigende Inzidenzen und eine steigende Anzahl an Menschen, die in den Krankenhäusern behandelt werden müssen, geben Veranlassung, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Je höher die Impfquote, umso besser kommen wir durch die nächste Welle. … > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... ?f=5&t=508

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Corona-Pandemie: Lebenserwartung in Teilen Deutschlands stark gesunken

Beitrag von WernerSchell » 17.08.2022, 08:01

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Corona-Pandemie: Lebenserwartung in Teilen Deutschlands stark gesunken

Deutschland hat bei der Lebenserwartung im zweiten Pandemiejahr 2021 etwas stärkere Rückgänge verzeichnet als 2020. Im internationalen Vergleich steht das Land aber weiterhin relativ gut da. Allerdings zeigen erstmalige Berechnungen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) für die Bundesländer, dass der nationale Durchschnitt erhebliche regionale Unterschiede verdeckt. In einigen Teilen Deutschlands ist die Lebenserwartung stark gesunken.

Demnach ging die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt in Deutschland im Verlauf des ersten Coronajahres 2020 bei Männern um 0,2 Jahre und bei Frauen um 0,1 Jahr zurück. Als 2021 die Alpha- und Deltavarianten dominierten, sank sie bei Männern um weitere 0,4 und bei Frauen um 0,3 Jahre. Mit gravierenden regionalen Unterschieden: In den besonders von Coronawellen betroffenen Bundesländern Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen lag die Lebenserwartung von Männern 2021 im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie rund eineinhalb Jahre niedriger, bei Frauen etwas mehr als ein Jahr. „In der Betrachtung zwischen 2019 und 2021 haben die südlichen Regionen Ostdeutschlands die stärksten Rückgänge verzeichnet“, erklärt Markus Sauerberg, Mortalitätsforscher am BiB. „Dabei gingen nicht nur Lebensjahre bei älteren Personen verloren. Bei Männern trug auch eine erhöhte Sterblichkeit im mittleren Alter zwischen 45 und 70 Jahren erheblich zu dieser Entwicklung bei.“ Am anderen Ende der Skala steht Schleswig-Holstein – hier kletterte die Lebenserwartung zwischen 2019 und 2021 bei Männern sogar um 0,2 Jahre, während Frauen einen vergleichsweise geringen Rückgang um -0,2 Jahre zeigten.

Vor dem Beginn der Pandemie war die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt in Deutschland jährlich um etwa 0,1 Jahr gestiegen. Eine sinkende Lebenserwartung von mehr als einem Jahr ist außerhalb von Kriegszeiten sehr ungewöhnlich: „Rückgänge in dieser Größenordnung wurden letztmals zum Ende der DDR verzeichnet“, betont Sebastian Klüsener, Forschungsdirektor am BiB. Die Zahlen belegen die Gefahr, welche vom Coronavirus ausgehen kann. Die starken regionalen Unterschiede verdeutlichen zusätzlich, dass neben den nationalen Rahmenbedingungen auch regionale Faktoren einen Einfluss auf die Sterblichkeit haben. Hierzu zählen etwa regionale Unterschiede in der Infektionslage, den ergriffenen Maßnahmen und dem Verhalten der Bevölkerung.

Aber wie stehen Deutschland und einzelne Regionen im internationalen Vergleich da? Westdeutsche Bundesländer haben vergleichsweise geringe Rückgänge der Lebenserwartung verzeichnet. Dies gilt sowohl für 2020 wie auch für 2021, während viele andere westeuropäische Länder 2020 deutlich stärkere Rückgänge verzeichneten. Für Ostdeutschland insgesamt (Männer -1,3 Jahre; Frauen -0,8 Jahre) bewegt sich der Rückgang der Lebenserwartung zwischen 2019 und 2021 in der Größenordnung von England und Wales, die ebenfalls stark von der Coronapandemie betroffen waren. Im Vergleich zu den direkten Nachbarn Tschechien und Polen, wo bei den Männern Rückgänge von 2 bzw. 2,4 Jahren und bei den Frauen Rückgänge von 1,5 Jahren bzw. 2 Jahren verzeichnet wurden, fallen die Rückgänge der Lebenserwartung in Ostdeutschland dagegen geringer aus. „Dass Ostdeutschland an von Corona stark betroffene Länder angrenzt, muss bei der Bewertung der dortigen Entwicklung mitberücksichtigt werden“, sagt Markus Sauerberg. „Insofern sollten in der Coronapandemie regionale Unterschiede in Deutschland immer im gesamteuropäischen Kontext betrachtet werden.“

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Markus Sauerberg,
Telefon: 0611 75 4914
Markus.Sauerberg@bib.bund.de

Quelle: Pressemitteilung vom 17.08.2022
Dr. Christian Fiedler Pressestelle
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)
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WernerSchell
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Pflicht zum Nachweis einer Impfung gegen Masern

Beitrag von WernerSchell » 19.08.2022, 06:38

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Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen die Pflicht zum Nachweis einer Impfung gegen Masern


Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2022 - 1 BvR 469/20, 1 BvR 472/20, 1 BvR 471/20, 1 BvR 470/20 - >>> https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 46920.html

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Impfnachweis (Masern)

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mehrere Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, die sich gegen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) über die Pflicht zum Auf- und Nachweis einer Masernimpfung sowie über die bei Ausbleiben des Nachweises eintretende Folgen richten, wie etwa das Verbot, Kinder in bestimmten Einrichtungen zu betreuen. Die Zurückweisung erfolgt allerdings mit der Maßgabe einer verfassungskonformen Auslegung, die an die zur Durchführung der Masernimpfung im Inland verfügbaren Impfstoffe anknüpft. Stehen - wie derzeit in Deutschland - ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung, ist § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG verfassungskonform so zu verstehen, dass die Pflicht, eine Masernimpfung auf- und nachzuweisen, nur dann gilt, wenn es sich um Kombinationsimpfstoffe handelt, die keine weiteren Impfstoffkomponenten enthalten als die gegen Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken.

Die Beschwerdeführenden sind jeweils gemeinsam sorgeberechtigte Eltern sowie ihre minderjährigen Kinder, die kommunale Kindertagesstätten besuchen oder von einer Tagesmutter mit Erlaubnis zur Kindertagespflege nach § 43 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) betreut werden sollten. Sie wenden sich im Wesentlichen gegen die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes, die eine solche Betreuung lediglich dann gestatten, wenn die betroffenen Kinder gegen Masern geimpft sind und diese Impfung auch nachgewiesen wird.

Die angegriffenen Vorschriften berühren sowohl das die Gesundheitssorge für ihre Kinder umfassende Grundrecht der beschwerdeführenden Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) als auch und vor allem das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der beschwerdeführenden Kinder auf körperliche Unversehrtheit. Beide Grundrechtspositionen sind hier in spezifischer Weise miteinander verknüpft. Sowohl die Eingriffe in das Elternrecht als auch die in die körperliche Unversehrtheit sind unter Berücksichtigung der verfassungskonformen Auslegung verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht hat der Gesetzgeber dem Schutz durch eine Maserninfektion gefährdeter Menschen den Vorrang vor den Interessen der beschwerdeführenden Kinder und Eltern eingeräumt.

Sachverhalt:

1. Nach § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG müssen unter anderem Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung im Sinne von § 33 Nr. 1 und 2 IfSG (zum Beispiel Kindertageseinrichtung oder erlaubnispflichtige Kindertagespflege) betreut werden, einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine Immunität gegen Masern aufweisen. Die Pflicht, einen solchen Impfschutz aufzuweisen, gilt auch, wenn ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten (§ 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG).

Kinder, die in solchen Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden sollen, müssen der Einrichtungsleitung vor Beginn ihrer Betreuung einen Nachweis darüber vorlegen, dass ein ausreichender Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern besteht oder sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können (§ 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG). Wird für Kinder ab der Vollendung des ersten Lebensjahres kein derartiger Nachweis vorgelegt, dürfen sie nicht in Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden (§ 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG). Nach § 20 Abs. 13 IfSG haben bei Minderjährigen deren Sorgeberechtigte für die Einhaltung der Verpflichtung zu sorgen.

2. Die minderjährigen Beschwerdeführenden sind nicht gegen Masern geimpft und verfügen über keine Immunität. Medizinische Kontraindikationen zu einer Masernimpfung bestehen bei ihnen nicht.

Die Verfassungsbeschwerden richten sich jeweils gegen die gesetzlichen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes (§ 20 Abs. 8 Satz 1 bis 3, Abs. 9 Satz 1 und 6, Abs. 12 Satz 1 und 3, Abs. 13 Satz 1 IfSG) über die Pflicht zum Auf- und Nachweis einer Masernimpfung sowie das bei Ausbleiben des Nachweises geltende Betreuungsverbot in bestimmten Einrichtungen. Die Beschwerdeführenden sehen in der Pflicht zur Herbeiführung und zum Nachweis der Masernimpfung unter anderem unverhältnismäßige Eingriffe in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) der minderjährigen Beschwerdeführenden, insbesondere wegen der Pflicht, sich nicht nur gegen Masern impfen zu lassen, sondern aufgrund der Nichtverfügbarkeit von Monoimpfstoffen auch gegen andere Krankheiten. Zugleich werde in unverhältnismäßiger Weise in das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) eingegriffen.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

Die zulässigen Verfassungsbeschwerden haben keinen Erfolg.

I. 1. a) Die beanstandeten Regelungen des Infektionsschutzgesetzes greifen in mehrfacher Hinsicht jedenfalls zielgerichtet mittelbar in das Grundrecht der beschwerdeführenden Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ein. Entscheiden sich die Eltern in Wahrnehmung ihrer durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Gesundheitssorge gegen eine Impfung ihres Kindes, ist dies mit nachteiligen Konsequenzen für die ansonsten den Eltern – zur Wahrnehmung ihrer Sorge für die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Entfaltungsfreiheit ihrer Kinder – eröffneten Möglichkeiten einer Betreuung in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen verbunden. Art und Gewicht dieser Konsequenzen für das die Gesundheitssorge betreffende Elternrecht sind dergestalt, dass sie nach Zielsetzung und Wirkung einem unmittelbaren Eingriff in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG entsprechen. Die Wirkungen der Kombination aus Pflicht zum Nachweis der Masernimpfung und Verlust der Möglichkeit der Inanspruchnahme staatlicher Betreuungsangebote beziehungsweise fehlender Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf einrichtungsbezogene frühkindliche und vorschulische Förderung sind denen einer zwangsweise gegen den Elternwillen durchgeführten Masernimpfung von Kindern weitgehend äquivalent.

b) Die mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Regelungen greifen zudem – ebenfalls zielgerichtet mittelbar – in das Grundrecht der beschwerdeführenden Kinder auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein oder beeinträchtigen alternativ – abhängig von der Entscheidung der Eltern – das Recht der Kinder auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG). Nach Art und Gewicht wirken die beanstandeten Vorschriften in einer Weise auf die den sorgeberechtigten Eltern anvertraute Entscheidung über die körperliche Unversehrtheit ihrer Kinder ein, dass sie als zielgerichteter mittelbarer Eingriff in das Recht der Kinder aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu bewerten sind. Die Masernschutzimpfung wirkt durch das Einbringen eines Stoffes und die damit verbundenen Nebenwirkungen auf die körperliche Integrität der Kinder ein. Zwar hindert das Infektionsschutzgesetz Eltern nicht daran, auf eine Masernschutzimpfung bei ihren Kindern zu verzichten. Allerdings geht dann wegen des in § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG angeordneten Betreuungsverbots der in § 24 SGB VIII eingeräumte Anspruch auf Förderung der Kinder in bestimmten Einrichtungen verloren oder kann jedenfalls nicht mehr durchgesetzt werden. Wird eine solche frühkindliche oder vorschulische Betreuung und Förderung – wie vorliegend – von den sorgeberechtigten Eltern gewünscht, geht von den bei Ausbleiben des Impfnachweises eintretenden Folgen ein starker Anreiz aus, die Impfung vornehmen zu lassen und damit auf die körperliche Unversehrtheit der Kinder durch die Verabreichung des Impfstoffs einzuwirken. Dieser vom Gesetzgeber intendierte Druck auf die Eltern, die Gesundheitssorge für ihre Kinder in bestimmter Weise auszuüben, kommt in seiner Wirkung dem unmittelbaren Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gleich.

2. Die Eingriffe sowohl in das Recht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) der Kinder sind verfassungsrechtlich allein bei verfassungskonformer Auslegung von § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG gerechtfertigt. Dann genügen sie den Anforderungen des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts und sind im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig.

a) Die angegriffenen Regelungen genügen den aus dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts folgenden Anforderungen nur bei verfassungskonformer Auslegung. Wäre § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG so zu verstehen, dass die Norm auch gilt, wenn nur Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die weitere Impfstoffkomponenten als die bei Verabschiedung des Gesetzes verfügbaren Impfstoffe enthielten, verstieße sie gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts. § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG kann jedoch verfassungskonform so auslegt werden, dass die daraus resultierende Pflicht zum Nachweis einer Masernimpfung bei ausschließlicher Verfügbarkeit von Kombinationsimpfstoffen nur dann gilt, wenn es sich dabei um solche handelt, die keine weiteren Impfstoffkomponenten enthalten als die gegen Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken. Allein auf Mehrfachimpfstoffe gegen diese Krankheiten beziehen sich die vom Gesetzgeber des Masernschutzgesetzes getroffenen grundrechtlichen Wertungen. Mit diesem Verständnis werden die Grenzen verfassungskonformer Auslegung nicht überschritten. Zwar enthält der Wortlaut von § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG keine Beschränkung derjenigen Krankheiten, bezüglich derer Impfstoffkomponenten in einem Mehrfachimpfstoff enthalten sein dürfen. Durch die verfassungskonforme Beschränkung auf die vorgenannten Mehrfachimpfstoffkombinationen wird jedoch dem Gesetz weder ein entgegengesetzter Sinn verliehen noch der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt.

b) Die angegriffenen Regelungen sind in dieser verfassungskonformen Auslegung auch verhältnismäßig.

aa) Die in § 20 Abs. 8, 9 und 12 IfSG festgelegten Pflichten verfolgen ebenso wie das bei Ausbleiben des Nachweises eintretende Betreuungsverbot (§ 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG) einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck, nämlich den Schutz vulnerabler Personen vor einer für sie gefährlichen Masernerkrankung. Gleiches gilt für die Übertragung der Erfüllung der Nachweispflicht von Kindern auf ihre Eltern in § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG. Die Annahme des Gesetzgebers, von Personen, die keinen ausreichenden Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern aufweisen, könnten Gefahren für das Leben und die Gesundheit insbesondere von Personen ausgehen, die sich selbst nicht durch eine Impfung vor einer Masernerkrankung zu schützen vermögen, beruht auf zuverlässigen Grundlagen und hält auch der strengen verfassungsrechtlichen Prüfung stand. Innerhalb seines allerdings wegen der gesicherten Erkenntnislage und des Gewichts der Grundrechtseingriffe engen Einschätzungsspielraums konnte der Gesetzgeber in Einklang mit dem Verfassungsrecht von einer Gefahrenlage durch eine Masernerkrankung für verletzliche Personen ausgehen, insbesondere Säuglinge oder andere Personen, die sich nicht selbst durch eine Impfung schützen können.

bb) Die auf Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen bezogene Auf- und Nachweispflicht ist ebenso wie das bei ausbleibendem Nachweis geltende Betreuungsverbot (§ 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG) im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, die mit dem Masernschutzgesetz verfolgten Zwecke zu erreichen. Sie können sowohl dazu beitragen, die Impfquote in der Gesamtbevölkerung zu erhöhen als auch dazu, diese in solchen Gemeinschaftseinrichtungen zu steigern, in denen vulnerable Personen betreut werden oder zumindest regelmäßig Kontakt zu den Einrichtungen und den dort betreuten und tätigen Personen haben.

cc) Die Pflichten, bei Betreuung in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen eine Masernimpfung auf- und nachzuweisen, sowie das bei Ausbleiben des Nachweises geltende Betreuungsverbot sind sowohl zum Schutz des Einzelnen als auch zum Schutz der Bevölkerung vor Masern im verfassungsrechtlichen Sinne erforderlich. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber hier zukommenden Einschätzungsspielraums ist nicht erkennbar, dass andere, in der Wirksamkeit eindeutig gleiche, aber die betroffenen Grundrechte von Kindern und Eltern weniger stark einschränkende Mittel zur Verfügung standen. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber andere Maßnahmen zur Gewährleistung des angestrebten Individual- und Gemeinschaftsschutzes als nicht sicher gleich wirksam angesehen hat. Dafür konnte er sich auf hinreichend tragfähige Grundlagen stützen.

dd) Die beanstandeten Vorschriften über die Pflicht zum Auf- und Nachweis einer Masernimpfung sowie das bei Ausbleiben des Nachweises geltende Betreuungsverbot erweisen sich auch als angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinn. Trotz des nicht unerheblichen Gewichts der mittelbaren Eingriffe in das Grundrecht der Kinder aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und in das der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG werden diese jeweils nicht unzumutbar im Hinblick auf den Schutz von Leben und Gesundheit durch eine Masernerkrankung gefährdeter Personen belastet.

(1) Die angegriffenen Vorschriften greifen mit nicht unerheblichem Gewicht zielgerichtet mittelbar sowohl in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG als auch in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) der Kinder ein. Die Eingriffe erfolgen dabei in unterschiedlicher Weise und mit verschiedenem Gewicht. Das Eingriffsgewicht in das Grundrecht der beschwerdeführenden Kinder aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG korrespondiert mit dem des Eingriffs in das auf die Gesundheitssorge bezogene Elternrecht.

(2) Demgegenüber verfolgt der Gesetzgeber mit den angegriffenen Vorschriften den Schutz eines überragend gewichtigen Rechtsguts, der hier auch dringlich ist. Die angegriffenen Vorschriften dienen dem Schutz vor einer Masernerkrankung. Demnach ist insoweit das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit betroffen, wobei es um den Schutz einer Vielzahl von Personen, insbesondere von vulnerablen Personen geht, die sich nicht selbst durch eine Impfung wirksam schützen können. Dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung kommt ein hohes Gewicht zu. Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG kann daher eine Schutzpflicht des Staates folgen, die eine Risikovorsorge gegen Gesundheitsgefährdungen umfasst. Angesichts der sehr hohen Ansteckungsgefahr bei Masern und den mit einer Masernerkrankung verbundenen Risiken eines schweren Verlaufs besteht eine beträchtliche Gefährdung des Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit Dritter. Die Annahme des Gesetzgebers, ohne die in den angegriffenen Regelungen getroffenen Maßnahmen würde die Impfquote weiter stagnieren und gleichzeitig könne die Anzahl der Masernausbrüche in Kindertagesstätten und in der Kindertagespflege steigen, beruht auf tragfähigen Grundlagen und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

(3) Ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht hat der Gesetzgeber mit den angegriffenen Auf- und Nachweispflichten sowie den bei deren Ausbleiben eintretenden Folgen dem Schutz durch eine Maserninfektion gefährdeter Menschen den Vorrang vor den Interessen der beschwerdeführenden Kinder und Eltern eingeräumt. Die damit verbundenen nicht unerheblichen Grundrechtseingriffe sind ihnen zugunsten des Gesundheitsschutzes vor den Gefahren einer Maserninfektion von verletzlichen Personen und damit einem Gemeinwohlbelang von hohem Rang derzeit zuzumuten.

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber für die von ihm geförderte (früh)kindliche Betreuung (§ 24 Abs. 1 bis 3 SGB VIII) mit den angegriffenen Regelungen Maßnahmen ergriffen hat, die Maserninfektionen von Kindern vermeiden oder zumindest deutlich reduzieren sollen. Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass in den hier gegenständlichen Gemeinschaftseinrichtungen zur Kinderbetreuung nach den statistisch belegten Impfquoten in den dort betreuten Altersgruppen keine zum Gemeinschaftsschutz ausreichenden Quoten bestehen. Zugleich haben die betreuten Kinder typischerweise Kontakte zu besonders schutzwürdigen Personen, die eine hohe altersspezifische Inzidenz für Masern sowie eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit aufweisen, im Falle einer Maserninfizierung Komplikationen auszubilden, sich aber wegen einer Kontraindikation nicht selbst wirksam durch eine Impfung schützen können (zum Beispiel Kinder im ersten Lebensjahr, Schwangere). Mit der Bindung der Auf- und Nachweispflicht einer Masernimpfung an die Betreuung in Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33 Nr. 1 und 2 IfSG hat der Gesetzgeber die Reichweite der angegriffenen Regelungen gegenständlich begrenzt. Dementsprechend führt das Ausbleiben des in § 20 Abs. 8 und 9 IfSG geforderten Auf- und Nachweises der Masernimpfung auch nicht zum Ausschluss jeglicher frühkindlichen oder vorschulischen Förderung außerhalb der Familie. Die anderweitige Betreuung von Kindern in den betroffenen Alterskohorten bleibt auch familienübergreifend jedenfalls im selbstorganisierten privaten Bereich zulässig.

Trotz der nicht unerheblichen Eingriffe in das Abwehrrecht der Kinder aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Grundrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG konnte der Gesetzgeber der Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit durch eine Masernerkrankung gefährdeter Personen den Vorrang einräumen. Für die Schutzpflicht streiten die hohe Übertragungsfähigkeit und Ansteckungsgefahr sowie das nicht zu vernachlässigende Risiko, als Spätfolge der Masern eine für gewöhnlich tödlich verlaufende Krankheit (die subakute sklerosierende Panenzephalitis) zu erleiden. Demgegenüber treten bei einer Impfung nahezu immer nur milde Symptome und Nebenwirkungen auf; ein echter Impfschaden ist extrem unwahrscheinlich. Die Gefahr für Ungeimpfte, an Masern zu erkranken, ist deutlich höher als das Risiko, einer auch nur vergleichsweise harmlosen Nebenwirkung der Impfung ausgesetzt zu sein. Hinzu kommt, dass die realistische Möglichkeit der Eradikation der Masern die staatliche Schutzpflicht stützt, weshalb selbst bei einer sinkenden Inzidenz von Krankheitsfällen – zu einem Sinken dürfte es kommen, je näher das Ziel der Herdenimmunität durch eine steigende Impfquote rückt – das Abwehrrecht der Beschwerdeführenden, in das die Auf- und Nachweispflicht zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit Impfunfähiger mittelbar eingreift, aufgrund geringerer Gefahrennähe weniger Gewicht für sich beanspruchen kann als der vom Gesetzgeber verfolgte Schutz impfunfähiger Grundrechtsträger.

Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner Prognose die Gefahren in der Weise bewertet, dass das geringe Restrisiko einer Impfung im Vergleich zu einer Wildinfektion mit Masern bei gleichzeitiger Beachtung der – auch den betroffenen Kindern zugutekommenden – Impfvorteile zurücksteht. Im Ergebnis führt die Masernimpfung daher zu einer erheblich verbesserten gesundheitlichen Sicherheit des Kindes. Dem Individualschutz durch die Impfung zugunsten der Kinder kommt auch in der Abwägung der Interessen durch eine Maserninfektion zumindest in ihrer Gesundheit gefährdeter Personen einerseits mit dem Elternrecht andererseits Bedeutung zu. Da auch das die Gesundheitssorge betreffende Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG kindeswohlorientiert auszuüben und die Vornahme empfohlener Impfungen der Gesundheit des Kindes dienlich ist, kommt dem Eingriff in das Elternrecht insoweit kein besonders hohes Gewicht zu. Eine Abwägung zugunsten der Gesundheit von Personen, die sich selbst nicht durch Impfung vor einer Masernerkrankung schützen können und deshalb nur über eine Herdenimmunität geschützt werden können, ist daher verfassungsrechtlich unbedenklich.

Die Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit der Kinder und das Elternrecht ihrer sorgeberechtigten Eltern sind auch nicht insoweit unzumutbar, als § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG eine Auf- und Nachweispflicht selbst dann vorsieht, wenn zur Erlangung des Masernimpfschutzes ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen. Zwar führt dies faktisch dazu, dass die Kinder bei entsprechender Entscheidung ihrer Eltern die Impfung mit zusätzlichen Wirkstoffen hinnehmen müssen, derer es zum Erfüllen der Auf- und Nachweispflicht aus § 20 Abs. 8 und 9 IfSG nicht bedarf und auf deren Schutzeffekte das Gesetz nicht zielt. Dennoch überwiegen im Ergebnis die für den Aufweis anhand eines Mehrfachimpfstoffs sprechenden Argumente. Denn die aktuell in den Mehrfachimpfstoffen enthaltenen weiteren Wirkstoffe betreffen ebenfalls von der Ständigen Impfkommission empfohlene, also eine positive Risiko-Nutzen-Analyse aufweisende Impfungen. Sie sind deshalb ihrerseits grundsätzlich kindeswohldienlich, wenngleich insoweit weder ein mit Masern vergleichbar hohes Infektionsrisiko besteht noch entsprechende schwere Krankheitsverläufe eintreten können.

Dem steht die Dringlichkeit des Gesundheitsschutzes derjenigen Personen gegenüber, die sich nicht durch Impfung schützen können, mittels Gemeinschaftsschutz. Für diesen bedarf es der genannten Impfquote von 95 Prozent, die gerade auch in den Altersgruppen nicht erreicht ist, die in den hier betroffenen Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden. In der Gesamtabwägung ist es vertretbar, dass der Gesetzgeber den Schutz vulnerabler Personen gegen Masern so hoch gewertet hat, dass dafür auch die Grundrechtsbeeinträchtigungen durch den vom Gesetzgeber mit der Anordnung in § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG in Kauf genommenen Einsatz der aktuell einzig verfügbaren Kombinationsimpfstoffe hinzunehmen sind. Auch weil damit objektiv ein Schutz gegen die weiteren durch Kombinationsimpfstoffe erfassten Krankheiten verbunden ist, ist das Interesse, dass mangels verfügbarer Monoimpfstoffe Kombinationsimpfstoffe zum Einsatz kommen, höher zu gewichten als die Interessen der betroffenen Kinder und Eltern, diese nicht verwenden zu müssen.

II. Die angegriffenen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes über die Auf- und Nachweispflicht sowie das Betreuungsverbot in Einrichtungen nach § 33 Nr. 1 und 2 IfSG bei ausbleibendem Nachweis verletzen die beschwerdeführenden Kinder auch nicht in ihrem Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die von den beschwerdeführenden Kindern als gleichheitswidrig gerügten Differenzierungen sind durch Sachgründe gerechtfertigt.

Quelle: Pressemitteilung vom 18.08.2022 Nr. 72/2022
Bundesverfassungsgericht
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Corona-Schutzmaßnahmen – was ab Oktober 2022 gilt

Beitrag von WernerSchell » 01.10.2022, 06:41

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Corona-Schutzmaßnahmen – was ab Oktober 2022 gilt

Von 1. Oktober 2022 bis 7. April 2023 gilt ein neuer Rechtsrahmen für die Corona-Schutzmaßnahmen. Ziel der Neuregelungen ist, vor allem den Schutz vulnerabler Gruppen im Herbst und Winter zu verbessern. Was zu beachten ist – hier ein Überblick.

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Gewappnet für Herbst und Winter: die neuen Corona-Regeln im Überblick. - Foto: Bundesregierung

Bundesweite Regelungen
Von 1. Oktober 2022 bis 7. April 2023 gelten bundesweit in bestimmten Bereichen spezifische Schutzmaßnahmen:

- Im öffentlichen Personenfernverkehr gilt eine FFP2-Maskenpflicht. Kinder und Jugendliche von sechs bis einschließlich 13 Jahren sowie das Personal können auch medizinische Masken (OP-Masken) tragen.
- Für den Zutritt zu Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gilt eine FFP2-Maskenpflicht und eine Testnachweispflicht. Diess gilt auch für Beschäftigte in ambulanten Pflegediensten und vergleichbaren Dienstleistern.
- Für Patientinnen und Patienten sowie Besucherinnen und Besucher in Arztpraxen, Dialyseeinrichtungen und weiteren Einrichtungen des Gesundheitswesens ist das Tragen einer FFP2-Maske verpflichtend.

... (weiter lesen unter) > https://www.bundesregierung.de/breg-de/ ... tz-2068856

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Bund will 800 Millionen Masken „thermisch verwerten“ - Sie werden verbrannt

Beitrag von WernerSchell » 09.10.2022, 15:21

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Mitteilung vom 07.10.2022

Bund will 800 Millionen Masken „thermisch verwerten“ - Sie werden verbrannt

Das Gesundheitsministerium hat bestätigt, dass der Bund 800 Millionen Masken verbrennen will. Dabei soll es sich um Masken handeln, deren Haltbarkeitsdatum zwischenzeitlich abgelaufen ist. Dem ehemaligen Minister Jens Spahn wurde vorgeworfen, zu viele Masken beschafft zu haben.

Der Bund will 800 Millionen Masken aus den Anfängen der Corona-Pandemie verbrennen. Das berichtet der „ Spiegel “. Dazu seien bereits erste Ausschreibungen angelaufen, teilt das Gesundheitsminis­terium mit. Der ehemalige Gesundheitsbeginn hatte damals 5,8 Milliarden Masken für sechs Milliarden Euro beschafft. Das seien zu viele gewesen, warf ihm später der Bundesrechnungshof vor. Nun werden 800 Millionen Masken „thermisch verwertet“.

Gesundheitsministerium: 800 Millionen Masken werden „thermisch verwertet“
... (weiter lesen unter) ... > https://www.focus.de/politik/deutschlan ... 66509.html

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Grippeimpfung: Warum sie in der Saison 2022/2023 so wichtig ist

Beitrag von WernerSchell » 12.10.2022, 07:34

Grippeimpfung: Warum sie in der Saison 2022/2023 so wichtig ist. NDR-Visite informiert (Video 06,00 Min.)… > https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/ ... tz104.html Es gilt, das Immunsystem zu stärken. Dies auch mit Blick auf die wieder steigenden Coronainfektionen! - Frau Dr. med. Marianne Koch hat dazu 2020 in einer Buchveröffentlichung mit dem Titel "Unser erstaunliches Immunsystem" aufgezeigt, wie uns das Immunsystem schützt, wie es uns heilt- und wie wir es jeden Tag stärken können. … > https://www.wernerschell.de/forum/neu/v ... =6&t=23801
Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Prof. Dr. med. Gernot Marx, empfiehlt allen Mitarbeitenden im Gesundheitswesen sowie allen über 60-Jährigen, sich gegen Grippe impfen zu lassen, da die Infektion mit Influenza schwere COVID-19-Verläufe begünstigt (Näheres >>> https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... 6686#p6686 ).

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Maskenvernichtigung muss verhindert werden!

Beitrag von WernerSchell » 26.10.2022, 06:43

Maskenvernichtigung muss verhindert werden!


Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will offensichtlich Millionen Schutzmasken vernichten. Dies angeblich deshalb, weil die Haltbarkeit abgelaufen ist oder alsbald abzulaufen droht. Nach Expertenmeinung ist es aber so, dass nach der jeweils angegebenen Haltbarkeitsangabe nicht etwa die Schutzwirkung der Masken entfällt. Es ist wie bei anderen Haltbarkeitsdaten, z.B. bei Lebensmitteln, so, dass mit den Angaben nur ein grober Anhalt geliefert wird. Eine weitere Nutzung der Masken, zumindest in den nächsten Monaten bzw. im nächsten Jahr, ist damit nicht ausgeschlossen, unbedenklich.
Bevor es zu der angekündigten Vernichtung kommt, habe ich am 08.10.2022 beim BMG bzw. Herrn Lauterbach (persönlich) darum gebeten, 5.000 FPP2 Masken nach hier zu übersenden. Sie sollen dann kurzfristig im Rahmen der ehrenamtlichen Aktivitäten für eine weitere Nutzung, natürlich auf eigene Gefahr, weiter gegeben werden. Leider gibt es bislang keine Rückmeldung seitens des BMG. Daher wurde zwischenzeitlich erinnert.



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