Der Pflegenotstand bedarf schnellstmöglich einer Reform an „Haupt und Gliedern“
Bislang haben seit Einführung der Pflegeversicherung alle Gesundheitsminister versucht, durch das, was sie Reformen nannten, die Leistungsansprüche pflegefreundlich zu gestalten. Herausgekommen sind aber immer nur Korrekturen, bei denen immer nur an kleinen „Schräubchen“ gedreht wurde. Die seit vielen Jahren gegebene Notstandssituation muss man wohl mittlerweile als Pflegekatastrophe einstufen. Selbst der Bundesrechnungshof warnte am 07.07.2025 vor einer Finanzlücke von 12,3 Milliarden Euro in der gesetzlichen Pflegeversicherung!
Nun macht die neue Bundesgesundheitsministerin einen neuerlichen Anlauf, die für alle Beteiligten aus dem Ruder laufenden Kosten zu begrenzen und die Leistungsansprüche auf eine erträgliche Basis zu stellen. Dazu wurde jetzt eine Kommission eingesetzt, die bis zum Jahresende Reformvorschläge machen soll. Dies habe ich am 09.07.2025 zum Anlass genommen, die für die Pflege aktuell zuständigen Personen / Institutionen anzusprechen und konkrete Handlungsanforderungen aufzuzeigen. Für weitere Hinweise und Informationen habe ich Gesprächsbereitschaft signalisiert. --- Dies wird möglicherweise mein letzter Versuch nach jahrzehntelangem Bemühen sein, bessere Pflegebedingungen gestalten zu helfen. – Werner Schell
Meine aktuellen Ausführungen zu einer dringend notwendigen Reform der Pflegeversicherung an „Haupt und Gliedern“ werden wie folgt auszugsweise vorgestellt:
… Seit Jahrzehnten befasse ich mich mit der pflegerischen Versorgung (habe in den 1960er Jahre über 10 Jahre selbst in der Familie mit gepflegt und dann zurückliegend über 30 Jahre als Ehrenamtler für bessere Pflegebedingungen gekämpft – mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, des Landesverdienstordens NRW und weiteren Ehrungen). Hier vor Ort gab es in den letzten 10 Jahren über 30 Pflegetreffs, bei denen alle relevanten Pflegethemen diskutiert und Handlungsanforderungen formuliert wurden. Bundes- und Landpolitiker, Patienten- und Pflegebeauftragte sowie namhafte Pflegeexperten saßen jeweils auf dem Podium.
Aufgrund meiner vielfältigen Erfahrungen an der „Pflegefront“ gibt es seit Anfang der 2000er Jahre einen Pflegenotstand, der von keinem Gesundheitsminister wirkungsvoll zur Kenntnis genommen worden ist. Es wurde bei sog. Pflegereformen immer nur an kleinen Schräubchen gedreht und manches sogar in die falsche Richtung gestaltet.
Mittlerweise müssen wir bei der Pflegeversicherung nicht nur von einem Pflegenotstand, sondern von einer Pflegekatastrophe sprechen (unzumutbar steigende Eigenleistungen und Beiträge, aber auch fehlende stationäre Angebote wegen Fachkräftemangel, Triage kommt zunehmend vor, Pflegedienste kommen an Kapazitätsgrenzen ….usw.). Eigene ungute Erfahrungen nach Sturz (siehe oben) haben das alles bestätigt.
Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen steigt (im Übrigen kommen bald Millionen Boomer mit Pflege- und Versorgungsansprüchen). Aber die seit einigen Jahren massiv gestiegene Zahl pflegebedürftiger Menschen hat einen Grund, der behebbar erscheint. Es war nämlich so, dass vor einigen Jahren die 3 Einstufungsmöglichkeiten / Schulnoten in 5 Pflegegrade umgewandelt worden sind. Dabei hat man den Kreis der Leistungsberechtigten massiv ausgeweitet. Danach ist es so, dass die entsprechenden Einstufungskritisieren so gestaltet sind, dass auch Personen finanzielle Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen können, die sich mit einigen geringen Einschränkungen selbst und ohne jegliche Pflegehilfe im Alltag zurechtfinden. Dies sollte korrigiert werden. Es wird erhebliche Einsparungen geben und die Zahl der Leistungsempfänger wird geschätzt um einige hunderttausend sog. Pflegefälle sinken.
Mein Ansatz seit vielen Jahren: Wir müssen uns stärker auf die schwerst-pflegebedürftigen Menschen konzentrieren und insoweit wirkungsvoller helfen.
Leider wird es wohl zu einer Änderung der Pflegeradzuordnungen nicht kommen, weil die Parteien mit Rücksicht auf zukünftige Wahlen nicht gerne Verschlechterungen vornehmen. Es muss aber einmal gesagt werden, wie sich die Systemfehler begründen lassen.
Dringend notwendig erscheint bei einer Pflegereform die Pflicht zur Gestaltung von kommunalen Unterstützungs- und Hilfesystem (mit präventiven Hausbesuchen).
Diesbezüglich habe ich über 15 Jahren hier vor Ort umfängliche Vorschläge gemacht mit der Folge, dass darüber kommunalpolitisch diskutiert wurde (siehe dazu >>> Quartierskonzepte gestalten: Kommunen sind mit Blick auf die Daseinsvorsorge der BürgerInnen gefordert - Quartiershilfen müssen die Leistungen der Pflegeversicherung zielgerichtet ergänzen ( > https://www.wernerschell.de/forum/neu/v ... =4&t=21213 und > https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzw ... 082015.pdf > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=4&t=1119 ).
Würden diese meine Vorschläge konsequent umgesetzt, könnte die häusliche Versorgung gestärkt und dadurch weitergehendere Versorgungserwägungen entfallen oder minimiert werden. Das würde auch finanzielle Leistungen einschränken helfen; dies auch im Sozialhilfebereich. Dabei könnte die Arbeit der Angehörigen von pflegebedürftigen Menschen gestärkt werden. Allerdings halte ich eine Ausweitung in Richtung Gehalt von Angehörigen (vielfach gefordert!) für überflüssig. Ggf. kann ja das Pflegegeld als Anerkennung für geleistete Pflege in Anspruch genommen werden. Wir müssen in diesem Zusammenhang nicht die finanziellen Leistungen, sondern die Beratung und sonstige Unterstützung verstärken.
Im Übrigen sehe ich die dringende Notwendig, die unterschiedlichen Beratungs- und Kontrollangebote stärker zu vernetzen. Quartiershilfen könnten z.B. in aufgrund von Kooperationsvereinbarungen mit den Beratern der Pflegekassen zusammen agieren. Eine Zusammenfassung von Aufsichtsgremien – Heimaufsicht und MDK – ebenfalls sinnvoll. Das alles könnte Personal und Kosten einsparen.
Aktuell: Die Pflegeversicherung steuert einem Medienbericht zufolge auf eine massive Finanzlücke zu. Der Bundesrechnungshof warnt vor einem Defizit von 12,3 Milliarden Euro bis zum Jahr 2029 (siehe u.a. unter > https://www.n-tv.de/politik/Milliarden- ... 81951.html / > https://www.bundesrechnungshof.de/Share ... onFile&v=2 ).
Übertriebene Erwartungen bezüglich des Einsatzes des möglichen Einsatzes von Robotik gehören ebenfalls angesprochen: Pflege wird immer vorrangig eine menschliche Zuwendung sein müssen. Wenn auf technische Hilfsmittel gesetzt werden sollte, kann das wohl immer nur als eine Ergänzung verstanden werden.
Bezüglich der gebotenen Reformmaßnahmen gibt es seit geraumer umfängliche Statements, Zeitungsberichte und Buchveröffentlichungen.
Aktuelle sind z.B. zu nennen:
• Thomas Klie: Pflege Notstand? Eine Streitschrift – siehe unter > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... 38&p=13323
• DAK: Pflegereport – Pflege vor Ort – zwischen Anspruch und Wirklichkeit – Perspektiven für ein verlässliches Pflegesystem – siehe unter > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=4&t=1346
• AOK: Qualitätsatlas Pflege - https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=4&t=1354
• Kuratorium Deutsche Altershilfe_ Reset Pflegeversicherung – Strukturreform Pflege und Teilhabe III - > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=5&t=1358
• Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk: Pflegenotstand auflösen und in den Kommunen unterstützende Netzwerke gestalten – siehe unter > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... ?f=5&t=194
Das Gesundheitssystem muss ebenfalls in den Blick genommen werden. Auch hier gibt es massiv steigende Ausgaben und Beiträge.
Deutschland hat weltweit die meisten Arztkontakte. Es liegt nahe, über eine Reduzierung nachzudenken, ggf. mit Hilfe von Praxisgebühren.
Bezüglich der Krankenhausversorgung gilt es zu bedenken, dass die entsprechenden Angebote möglichst wohnortnah zu gestalten sind und vorhandene Häuser tunlichst erhalten bleiben sollen. Der massiv älter werdenden Gesellschaft können längere Fahrten mit Rettungsdienst usw. eher nicht zugemutet werden. Krankenhausaufenthalte erfordern auch unkomplizierte Besuchsmöglichkeiten durch Angehörige. Wenn nun versucht wird, umfänglich Krankenhäuser dicht zu machen, ist das mit Rücksicht auf die älter werdende Gesellschaft ein Rückschritt. Zu glauben, man könne vieles der ambulanten Versorgung übertragen, führt wohl in die Irre. Die Ärzteschaft wird nämlich auch älter und Praxisausdünnungen sind durch fehlende Nachfolger die Folge. Zunehmende Versorgungsprobleme in den ländlichen Regionen sind zu bedenken. Karl Lauterbach hat diesbezüglich Fehlbeurteilungen vorgenommen (AOK-Gesundheitsreport 2025 belegt - Reformbedarf an der Schnittstelle von haus- und fachärztlicher Versorgung – siehe unter > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=5&t=1344 ).
Im Übrigen muss die Gesundheitsprävention verstärkt werden. Dabei ist zu bedenken, dass viele Krankheiten bzw. Pflegebedürftigkeit vermieden oder weit hinausgezögert werden können, wenn man einen gesunden Lebensstil praktiziert. Dazu mache ich seit Jahren intensiv aufmerksam und kann dabei auf eine Vielzahl von Studien und sonstigen Veröffentlichungen verweisen, die den Erfolg von Prävention eindeutig belegen. Selbst Alzheimer / Demenz ist vermeidbar („Geistig fit bleiben – mit 10 Maßnahmen Demenz vorbeugen – siehe > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=5&t=1310 ). Siehe auch unter > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=5&t=1317 (Gesünder leben – länger leben).
Hinsichtlich der Gesundheitsprävention muss die Ärzteschaft in die Pflicht genommen werden, ggf. auch mittels ergänzender Honorierungen. Aktuell wird das Thema Prävention – Gesundheitsförderung – gesunder Lebensstil – kaum angesprochen.
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